Stellungnahme anlässlich eines Antrages des VfGH auf Exekution eines Erkenntnisses

»Ich bin als Bundespräsident auf die Verfassung angelobt und werde meine verfassungsmäßigen Pflichten erfüllen«

Meine Damen und Herren!

 

Ich wende mich heute an Sie, weil etwas eingetreten ist,  was es in dieser Form  in unserem Land noch nicht gegeben hat.  Darüber möchte ich Sie unverzüglich unterrichten.

Lassen Sie mich kurz erklären, worum es geht.

Es geht um den Ibiza-Untersuchungsausschuss im Parlament und den Bundesminister für Finanzen. Der Ibiza-Untersuchungsausschuss hat den Bundesminister für Finanzen aufgefordert,  bestimmte Akten, die – nach Ansicht des Ausschusses –  für die Untersuchung relevant sind, vorzulegen.

Der Bundesminister ist dieser Aufforderung bisher NICHT nachgekommen. Der Verfassungsgerichtshof hat auf Ansuchen des Ibiza-UA die Sachlage geprüft und ist zum Schluss gekommen, dass der Finanzminister zur Vorlage dieser Akten verpflichtet ist. Dieses Erkenntnis wurde am 3. März dieses Jahres veröffentlicht. Der Bundesminister für Finanzen ist diesem Erkenntnis bisher NICHT nachgekommen.

Aus diesem Grund hat der Verfassungsgerichtshof heute beim Bundespräsidenten, also bei mir, mit Beschluss vom 6. Mai 2021,  wie von der Bundesverfassung vorgesehen, die Exekution dieses Erkenntnisses beantragt. Dieser Antrag des VfGH ist heute in der Präsidentschaftskanzlei eingelangt.

Da stehen wir jetzt.

Diese Situation mag für viele überraschend sein, nicht aber für unsere Bundesverfassung. Denn auch für diesen konkreten Fall gibt es eine klare Handlungsanweisung.

Die relevanten Teile des Artikels 146 Absatz 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes lauten nämlich (ich zitiere):

„Die Exekution der übrigen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes liegt dem Bundespräsidenten ob. Sie ist nach dessen Weisungen durch die nach seinem Ermessen hiezu beauftragten Organe des Bundes oder der Länder einschließlich des Bundesheeres durchzuführen. Der Antrag auf Exekution solcher Erkenntnisse ist vom Verfassungsgerichtshof beim Bundespräsidenten zu stellen.“

Ich bin als Bundespräsident auf die Verfassung angelobt und werde meine verfassungsmäßigen Pflichten erfüllen.

Vor kurzem hat mir Herr Finanzminister Blümel in einem Gespräch persönlich versichert, dass er dem Auftrag des VfGH unverzüglich entsprechen wird.

Wenn ich vom Ibiza-Untersuchungsausschuss die Meldung bekomme, dass die Unterlagen vollständig geliefert wurden, erübrigt sich die vom VfGH beantragte Exekution.

Sollte das wider Erwarten nicht der Fall sein, werde ich meinen verfassungsmässigen Pflichten entsprechen.

 

Mein Damen und Herren,

unsere Bundesverfassung legt Demokratie und Rechtsstaat als tragende Säulen unseres Gemeinwesens fest, sie schreibt die Gewaltenteilung fest. Sie regelt, wer im Staat wofür verantwortlich ist. Sie regelt unser aller Zusammenleben.  An diese Regeln haben wir ALLE uns zu halten.

Danke schön. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!

Stellungnahme anlässlich eines Antrages des VfGH auf Exekution eines Erkenntnisses 6. Mai 2021
Stellungnahme anlässlich eines Antrages des VfGH auf Exekution eines Erkenntnisses 6. Mai 2021

Fotos: Peter Lechner/HBF