TV-Ansprache von Bundespräsident Alexander Van der Bellen anlässlich der Verordnung zum 2. Lockdown

»Jetzt können wir beweisen, dass Gemeinschaft für uns nicht nur ein leeres Wort ist«

TV-Ansprache von Bundespräsident Alexander Van der Bellen anlässlich der Verordnung zum 2. Lockdown.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle Menschen die hier leben.

Ich hatte gehofft, dass ich diese Rede nicht halten muss. Aber die dramatische Entwicklung der letzten Tage und Wochen macht es notwendig, dass ich mich heute erneut an Sie wende.

Ich tue das mit all der Verantwortung, die SIE, liebe Österreicherinnen und Österreicher, in meine Hände gelegt haben. Mit all meiner Verantwortung als Bundespräsident. Und mit all der Verantwortung für unsere Heimat.

Die Lage ist ernst. Weltweit, in Europa und leider auch in unserem Land. Laut aktuellen Zahlen wurde zuletzt in Österreich alle 21 Sekunden, jemand positiv auf das Corona-Virus getestet.

Wenn wir nicht augenblicklich und mit vereinten Kräften gemeinsam das Steuer herumreißen, wird eine totale Überlastung der Spitäler sehr bald nicht mehr abzuwenden sein. Und kein Unternehmer wird mit Sicherheit am Abend wissen können, wer am nächsten Morgen überhaupt in die Arbeit kommen kann.

Die gute Nachricht ist: Wir können etwas tun. SIE können etwas tun. Denn dieses Virus überträgt sich von Mensch zu Mensch. Und das bedeutet, dass die Übertragung von Mensch zu Mensch auch unterbrochen werden kann.

Ich bitte Sie daher im Namen unserer Gemeinschaft: Helfen Sie mit. Überlegen Sie jeden Tag: Was kann ich heute tun, um diese Pandemie zu stoppen?

Tragen Sie eine Maske! Lieber einmal zu oft als einmal zu wenig.

Waschen Sie sich die Hände! Lieber einmal zu oft als einmal zu wenig.

Halten Sie Abstand! Lieber zu viel als zu wenig.

Reduzieren Sie Ihre physischen Kontakte. Lieber zu viel als zu wenig.

Und halten Sie sich bitte an die von Parlament, Bundesregierung und Gesundheitsbehörden verordneten Maßnahmen.

Auch wenn es Ihnen schwerfällt. Denken Sie daran: Das ist nicht für immer. Aber jetzt, jetzt ist es wichtig die Ansteckungen zu unterbinden. Jetzt geht es darum, dass wir uns umeinander kümmern. Jetzt schützen Sie sich, Ihre Kinder, Ihre Eltern, Ihre Oma, Ihre Freundinnen und Freunde, Ihren Partner, Ihre Partnerin. Jetzt können wir beweisen, dass „Gemeinschaft“ für uns nicht nur ein leeres Wort ist. Jetzt retten Sie Leben.

Ja, es gibt in Österreich Unmut darüber, wie von den Verantwortlichen gehandelt und kommuniziert wurde. Kritik ist selbstverständlich immer zulässig. Es ist ja auch nicht alles perfekt gelaufen. Aber die Regierung alleine kann diese Pandemie nicht besiegen. Wenn Sie dabei nicht mithelfen, werden Verordnungen nur wenig bewirken. Denn verantwortlich, das sind nicht nur „die Politiker“ oder „die Behörde“. Nein, das sind wir alle: Sie und ich. Wir alle sind verantwortlich. Jede und jeder muss jetzt tun, was er oder sie tun kann. Der Friseur, die Informatikerin, der Installateur, die Bäckerin, der Lehrer, die Ärztin, wir alle.

Die Tat jedes Einzelnen ist gleich viel wert. Und nur alle Taten gemeinsam werden uns von dieser Pandemie befreien.

Ja, die Situation ist eine Belastung. Und für manche in unserer Gemeinschaft ganz besonders. Ihnen gilt mein und wohl unser aller Mitgefühl, unser Respekt, unsere Solidarität. Und es ist wichtig, sie nicht aus den Augen zu verlieren: Alle, die gerade erkrankt sind. Alle, die Freunde und Angehörige verloren haben. Alle, die in Krankenhäusern, Pflege und Verwaltung an ihr Äußerstes gehen. Und auch alle, die wirtschaftlich existenziell bedroht sind. Ihnen allen möchte ich sagen: Wir werden Sie nicht zurücklassen. Wir kümmern uns umeinander.

Sich umeinander zu kümmern, bedeutet eben auch, zu tun, was notwendig ist.

Und denken wir vielleicht auch das eine oder andere Mal an die, die es noch schlimmer trifft als uns selber.

 

Meine Damen und Herren!

Die handelnden Politikerinnen und Politiker möchte ich eindringlich ersuchen, die Zeit, die dieser Lockdown uns allen hoffentlich verschafft, zu nützen.

Wir brauchen zum Beispiel für die Zeit nach dem Lockdown ein wirklich funktionierendes Test- und Tracingsystem. Dieser Lockdown soll nicht nur dazu dienen, das Virus wieder unter Kontrolle zu bringen, sondern auch dazu, gemeinsam mit allen Bundesländern, Städten und Gemeinden die nötigen Schritte für die Zeit danach zu setzen.

Eine Perspektive zu entwickeln, eine Perspektive für danach.

 

 

Meine Damen und Herren!

Im Augenblick stehen zwei Grundrechte in Konflikt miteinander: Das Recht auf Freiheit. Und das Recht auf Gesundheit. Beides sind wichtige, elementare Rechte. Im Augenblick müssen wir einen Teil unserer individuellen Freiheit aufgeben, damit wir alle gemeinsam unsere Gesundheit schützen können.

Das ist eine Zumutung für uns alle und für unsere Demokratie.

Es ist ein momentan notwendiges Übel. Und es ist ein Übel, das in dem Moment wieder zu beseitigen ist, sobald wir die Gefahr für unsere Gesundheit abgewendet haben.

 

Liebe Österreicherinnen und Österreicher, und alle Menschen, die hier wohnen!

Das Virus überträgt sich von Mensch zu Mensch. Aber auch Mut und Hoffnung übertragen sich von Mensch zu Mensch. Und die Hoffnung und der Mut werden siegen. Helfen Sie dabei mit. Machen wir es gemeinsam.

Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.

TV-Ansprache anlässlich der Verordnung zum 2. Covid-Lockdown 2. November
TV-Ansprache anlässlich der Verordnung zum 2. Covid-Lockdown 2. November

Fotos: Peter Lechner/HBF