Sub auspiciis-Auszeichnungen in der Hofburg

Erstmals Sub auspiciis-Auszeichnungen in der Hofburg

Bundespräsident: »Von der Wissenschaft als Elfenbeinturm kann keine Rede mehr sein. Sie ist mitten in der Gesellschaft angekommen.«

Sehr geehrte Rektorinnen und Rektoren!

Geschätzte Professorinnen und Professoren!

Meine Damen und Herren!

Vor allem aber: Liebe Auszuzeichnende!

 

Herzlich willkommen in der Wiener Hofburg!

Ich freue mich, dass wir nun zum ersten Mal alle Studierenden, die in letzter Zeit sub auspiciis promoviert haben, gemeinsam an einem Ort versammeln können. Es wird, da bin ich mir sicher, ein beeindruckendes Treffen von gescheiten jungen Leuten und allen, die hinter ihrem Erfolg stehen: Familien, Freunden, Kolleginnen und Kollegen, Professorinnen und Professoren. Alle können sich vernetzen und austauschen. Wer weiß, was daraus noch alles entstehen kann – ich bin schon gespannt.

 

Liebe Auszuzeichnende!

Die heutige Feier findet zu Ihren Ehren statt. Sie würdigt Ihre Leistungen, die in der Tat außerordentlich sind.

Gleichzeitig ist diese heutige Veranstaltung eine sehr österreichische – denn Promotionen sub auspiciis gibt es nur hierzulande. Sie sind, wenn man so will, Überlebende aus den Zeiten der Monarchie. 1624 oder 1625 fand die erste derartige Promotion Erwähnung, also vor 400 Jahren. Sub auspiciis Imperatoris freilich. (Es hat sich also doch etwas geändert.)

Insofern wird diese Form der Promotion mitunter als „Curiosum Austriacum“ bezeichnet. Aber: Ist das tatsächlich so? Eine Kuriosität? Ein Relikt?

Es ist vielleicht kein Zufall, dass die gesetzliche Grundlage für sub auspiciis-Promotionen in der Republik bereits 1952 geschaffen wurde – also drei Jahre bevor Österreich seine vollständige Souveränität wiedererlangte. Es ist möglich, dass gerade in einer Zeit, als die physischen, materiellen und intellektuellen Zerstörungen, die der Nationalsozialismus zu verantworten hatte, eine Würdigung der akademischen Spitzenleistungen auch den Willen zum geistigen Wiederaufbau Österreichs dokumentiert. Und auch Sehnsucht nach einer Zeit, in der sich Österreich besonders über Kunst und Wissenschaft definiert hatte.

Seit diesem Zeitpunkt haben etwas mehr als 1.200 Studierende die hohen Herausforderungen bewältigt, die mit einer Promotio sub auspiciis Praesidentis rei publicae einhergehen. Das ist eine beachtliche Zahl – und doch im Promille-Bereich angesiedelt, wenn wir die akademischen Abschlüsse hierzulande insgesamt betrachten.

In jedem Fall aber ist das eine heute genauso gültig wie vor 72 Jahren: Dass es der Republik Österreich wichtig ist, Spitzenleistung anzuerkennen und in geeigneter Form zu würdigen.

 

Meine Damen und Herren!

Die letzten Jahre haben die Wissenschaft und Forschung in den Fokus einer breiteren Aufmerksamkeit gerückt. Und zwar in vielen Bereichen, besonders aber die technischen und die Lebenswissenschaften. Die Pandemie und die Klimakrise, die Suche nach Medikamenten und nach alternativen Energiequellen haben zu einer beachtlichen Sichtbarkeit dieser Forschungsfelder geführt.

Von der Wissenschaft als einem Elfenbeinturm kann keine Rede mehr sein. Sie ist mitten in der Gesellschaft angekommen.

Die Wissenschaft ist aber auch ein Zankapfel. Wahrscheinlich mehr als noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie. In Österreich gibt es leider ein besonders ausgeprägtes Misstrauen gegen die Wissenschaft. Rational lässt sich das schwer nachvollziehen.

Viele Menschen irritiert vielleicht, dass sich wissenschaftliche Ansichten in der Tat ändern können, dass Wahrheiten von heute sich morgen schon als Irrtum herausstellen können. Genau das aber, meine Damen und Herren, ist ja ein Qualitätsmerkmal von Wissenschaft. Genau das macht ihren Erfolg aus.

Dass sie fehlerhaft sein kann, ja, solche Fehler aber zu korrigieren imstande ist, darin besteht die große Überzeugungskraft des wissenschaftlichen Denkens.

Sir Karl Popper, der große österreichische Philosoph und Wissenschaftstheoretiker, nannte das das „Falsifikationsprinzip“. Das bedeutet, dass ein Forschungsergebnis solange Gültigkeit besitzt, bis es sich als falsch erweist.

Dass sich die Sonne um die Erde dreht, war vor 1000 Jahren kein Unsinn. Die klügsten Köpfe dieser Zeit waren davon überzeugt. Heute aber ist es Unsinn. Dass etwa die Erde eine Scheibe ist, war vor 1000 Jahren kein Unsinn. Heute ist es Unsinn.

Leider gewinne ich mitunter den Eindruck, dass zunehmend die bloße Behauptung einer Tatsache genügt, um als wahr angesehen zu werden.

Manche Menschen entziehen sich auch im 21. Jahrhundert der – zugegebenerweise manchmal mühsamen – Arbeit, eigene Standpunkte infrage zu stellen und ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Und ja, das kann ein schmerzhafter, und mitunter auch langwieriger Prozess sein. Sie, die Sie heute für außerordentliche Leistungen auf Ihrem Bildungsweg ausgezeichnet werden, Sie werden wissen, wovon ich spreche. Auch Sie haben über einen langen Zeitraum hinweg Thesen aufgestellt, überprüft und, da bin ich mir sicher, auch korrigiert oder gar verworfen. Das hat Sie aber eben gerade nicht daran gehindert exzellente Leistungen zu erbringen – und das schon in sehr jungen Jahren.

Und trotz Ihrer erstaunlichen Leistungen werden Sie auch das Gefühl kennen, wenn einen die Kraft zu verlassen droht, wenn Zweifel und Selbstzweifel überhandnehmen. Dann braucht es Unterstützung – und auch die werden Sie erfahren haben. Zuspruch durch Freunde und Familie, und Hilfe von den Lehrenden, die – und das ist ein ganz wesentlicher Punkt – an Sie geglaubt haben und glauben.

Ich danke daher den Professorinnen und Professoren ganz ausdrücklich für ihre Tätigkeit. Sie haben neben Ihren eigenen Forschungen aber auch die so wichtige Aufgabe übernommen, den wissenschaftlichen Nachwuchs nach Kräften zu unterstützen. Das ist eine grundlegende und unverzichtbare Arbeit zum Wohl unserer Gesellschaft, die mit jedem Tag mehr zu einer Wissensgesellschaft wird.

Ich danke aber auch allen Familienangehörigen und allen Freundinnen und Freunden der heute Ausgezeichneten. Ich bin mir sicher, dass auch Sie für jenen Rückhalt gesorgt haben, den auch die größte Einzelleistung immer wieder braucht.

Wir Menschen sind Teamspielerinnen und Teamspieler, wir müssen einander zur Seite stehen und für einander da sein. Im Großen wie im Kleinen. Aber heute, geschätzte sub auspiciis-Doktorinnen und –Doktoren: heute ist Ihr Tag. Feiern Sie – und lassen Sie sich feiern!

Ich bitte Sie jetzt, einzeln zu mir zu kommen, damit ich Ihnen den Ehrenring der Republik Österreich überreichen kann.

Vielen Dank!

Sub auspiicis-Auszeichnungen in der Hofburg 18. März 2024
Sub auspiicis-Auszeichnungen in der Hofburg 18. März 2024

Fotos: Peter Lechner/HBF