Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen beim Festakt "100 Jahre Kärntner Volksabstimmung" in Klagenfurt.

Alexander Van der Bellen entschuldigt sich bei slowenischer Volksgruppe

Rede beim Festakt »100 Jahre Kärntner Volksabstimmung« in Klagenfurt.

100 Jahre Kärntner Volksabstimmung englisch

100 Jahre Kärntner Volksabstimmung deutsch

 

 

Sehr geehrter Herr Staatspräsident Pahor!

Werte Festgäste, meine Damen und Herren!

 

Schön, dass wir heute gemeinsam diesen Festakt begehen.

Lepo, da danes skupaj obeležujemo to obletnico.

 

Als Tiroler, die Geschichte Südtirols vor Augen, sind Volksgruppenfragen für mich stets nicht nur eine politische Frage, sondern eine Herzensangelegenheit. Deshalb freut es mich besonders, dass wir zu diesem Festakt einen ganz besonderen Gast begrüßen dürfen – den slowenischen Staatspräsidenten, Dich, lieber Borut. Zum ersten Mal begehen wir diesen Tag gemeinsam. Ich weiß, das braucht Mut. Auf beiden Seiten. Und darum bin ich auch Dir, lieber Herr Landeshauptmann, sehr dankbar.

Für mich ist dieser gemeinsame Festakt, über unser gutes persönliches Verhältnis hinaus, ein Beweis für die engen nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und Slowenien. Ein Beweis der guten Gesprächsbasis und des gegenseitigen Verständnisses.

Und es ist ein Zeichen, dass Europa wirkt. 25 Jahre Mitgliedschaft in der Europäischen Union hat Österreich dieses Jahr gefeiert. Slowenien ist seit 16 Jahren Mitglied – auch nicht viel weniger. Der Schengen-Beitritt unserer beiden Länder – Österreich 1998 und Slowenien 2004 – sowie die Abschaffung der Grenzkontrollen 2007 machen die Grenze für uns alle weniger fühlbar. Dank Europa.

 

Meine Damen und Herren!

Kärnten ist ein ganz besonderes Land. Es verbindet Österreich und Slowenien auf besondere Weise. Seit vielen Jahrhunderten leben in Kärnten Menschen deutscher und slowenischer Muttersprache zusammen. Die slowenische Volksgruppe ist ein selbstverständlicher Teil Kärntens und Österreichs!

In der Volksabstimmung vor 100 Jahren haben auch viele Kärntnerinnen und Kärntner der slowenischen Volksgruppe für die Einheit Kärntens und die Zugehörigkeit zu Österreich gestimmt. Ohne sie wäre die Volksabstimmung anders ausgegangen.

Meine Damen und Herren!

In Artikel 8 der österreichischen Bundesverfassung bekennt sich die Republik Österreich ich zitiere „zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt“. Und weiter: „Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern.“ Zitat Ende

Haben wir uns immer daran gehalten? Haben wir unsere sprachliche und kulturelle Vielfalt gelebt und deren Erhaltung immer entschlossen gesichert und gefördert? Leider muss ich zugeben: Nein, das war nicht immer der Fall. Vieles ist erst nach langem Drängen, spät, sehr spät erfolgt.

Für das erlittene Unrecht und für die Versäumnisse bei der Umsetzung von verfassungsmäßig garantierten Rechten möchte ich mich hier und heute als Bundespräsident bei Ihnen, liebe Angehörige der slowenischen Volksgruppe, entschuldigen.

Kot zvezni predsednik bi se Vam želel iskreno opravičiti za krivice in zamude pri uresničitvi vaših ustavnih pravic.

 

Meine Damen und Herren!

Die Kärntnerinnen und Kärntner haben gemeinsam auch vieles erreicht: Manch lange offene Wunde ist weitgehend verheilt. Kärnten ist einen weiten Weg gegangen, einen Weg der Versöhnung: Es gibt zweisprachige Ortstafeln, Medien und Chöre, zweisprachige Kindergärten, Schulen und Gerichte, sowie zahlreiche zweisprachige Vereine und Projekte auf Landes- und Gemeindeebene. Und seit einigen Tagen wissen wir: Es gibt in Zukunft auch mehr finanzielle Unterstützung vom Bund dafür.

Ich bin überzeugt: Die Kärntnerinnen und Kärntner, ob deutscher oder slowenischer Muttersprache, wollen gemeinsam ihr Land voranbringen. Und sie leisten gemeinsam in allen Lebensbereichen wichtige Beiträge zum Erfolg unserer Heimat Österreich.

Trotzdem ist noch nicht alles getan. Volksgruppenpolitik muss immer weiterentwickelt werden. In jedem Land der Welt. Sie muss den aktuellen Lebensbedingungen und Bedürfnissen angepasst werden.

 

Meine Damen und Herren!

Alle unsere Volksgruppen sind immer auch eine Brücke zu unseren Nachbarn: An den bilingualen Schulen in Kärnten lernen österreichische Kinder der slowenischen Volksgruppe mit ihren deutschsprachigen Nachbarskindern und mit Kindern aus Slowenien. Gemeinsam! Sie lernen voneinander. Sie lernen miteinander. Das macht mich zuversichtlich! Durch sie wächst Europa enger zusammen. So stelle ich mir unsere gemeinsame europäische Zukunft vor.

 

Liebe Kärntnerinnen und Kärntner,

Sie sind ein wichtiger Teil Österreichs und Europas. Ich wünsche Ihnen und dem Bundesland Kärnten alles Gute für die Zukunft.

Festakt
Festakt "100 Jahre Kärntner Volksabstimmung" gemeinsam mit Sloweniens Präsident Borut Pahor 10. Oktober 2020

Fotos: Peter Lechner/HBF