»Wir sind Kärnten. Mi smo Koroška«

»Es besteht Grund zur Hoffnung, dass in Kärnten eine Jugend heranwächst, die kein Verständnis mehr für national bedingte Auseinandersetzungen hat und frei von Vorurteilen ist«, so der Bundespräsident im Konzerthaus Klagenfurt. Die Rede anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Slowenischen Gymnasiums.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Als Bundespräsident der Republik Österreich möchte ich dem Bundes- und Bundesrealgymnasium für Sloweninnen und Slowenen in  Klagenfurt die herzlichsten Glückwünsche zu seinem 60jährigen Bestehen aussprechen.

Österreichische Staatsangehörige der slowenischen und der kroatischen Minderheit haben nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 des Staatsvertrages von 1955 über die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich Anspruch auf eine „verhältnismäßige Anzahl“ eigener Mittelschulen.

Die Umsetzung der zum Schutz dieser Minderheiten getroffenen Bestimmungen des Staatsvertrages war im Allgemeinen, wie wir wissen, ein mühsamer und wechselhafter Prozess. Umso bemerkenswerter ist es, dass schon in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages die „eigene Mittelschule“ für die Angehörigen der slowenischen Volksgruppe mit der Gründung des Slowenischen Gymnasiums Gestalt annehmen konnte.

Zu verdanken war dies – abgesehen von sonst auf dem Gebiet des Schutzes der Minderheiten nicht immer spürbarer politischer Vernunft – vor allem der Tatkraft des ersten Direktors Dr. Josef Tischler. Er hat auch sonst die Interessen der slowenischen Volksgruppe nachdrücklich und gerade auch in kritischen Situationen vertreten.  Von Anfang an war das Slowenische Gymnasium ein kulturelles Zentrum der Volksgruppe und in gewisser Weise eine Kaderschmiede ihrer Repräsentanten. Deshalb geriet das Gymnasium zu Zeiten von Spannungen zwischen der Volksgruppe und Teilen der Mehrheitsbevölkerung in das Kreuzfeuer bösartiger Kritik. Begreiflicherweise, denn Bildung ist der Lebensnerv einer jeden Volksgruppe; man hat da schon den richtigen Gegner gefunden.

Das Slowenische Gymnasium ist bestimmungsgemäß eine Schule mit slowenischer Unterrichtssprache. Die damit verbundenen Probleme bei der Neugestaltung der Reifeprüfung sind – wie ich höre – zufriedenstellend und im Geist der Zusammenarbeit gelöst worden. Mit der Erweiterung des Bildungsangebots auf vier Sprachen  - und der nach dem Beitritt der Republik Slowenien zur EU bewirkten Öffnung des Kreises der Schülerinnen und Schüler – wurde der Vorrang der regionalen Zusammenarbeit gegenüber rein nationalstaatlichem Denken gefestigt und damit auch einer wesentlichen Zielsetzung der Europäischen Union Rechnung getragen.

Das Slowenische Gymnasium ist damit zum Vorbild für die Bildungspolitik auch anderer Mitgliedstaaten der EU geworden; dies wurde durch die Verleihung mehrerer Preise auf europäischer Ebene gewürdigt.

Es besteht Grund zur Hoffnung, dass in Kärnten eine Jugend heranwächst, die kein Verständnis mehr für national bedingte Auseinandersetzungen hat, frei von Vorurteilen ist und das gemeinsame Heimatland Kärnten im Vordergrund sieht. Die maßgebende Funktion des Slowenischen Gymnasiums bei dieser Entwicklung ist evident.

Der Kärntner Landtag wird in Kürze eine neue Landesverfassung beschließen, in der die slowenische Volksgruppe erstmals beim Namen genannt wird. Vorher bestandene Missverständnisse, vor allem betreffend den Begriff „Landessprache“, konnten ausgeräumt werden. Die neue Landesverfassung wird – so hoffe ich – der Idee des gemeinsamen Kärntens die rechtliche Grundlage bieten, sodass alle Landesbürger werden sagen können: „Wir sind Kärnten / Mi smo Koroška.“