Bundespräsident im Ö3-Osterinterview

»Ich bin wirklich ganz bewegt, wie viele Menschen in Österreich sich zusammentun.«

Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach heute im Ö3-Wecker-Interview über seine Arbeit im Homeoffice, Nachbarschaftshilfe und darüber, wie er heuer Ostern verbringen wird.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen: Schönen guten Morgen!

Robert Kratky: Die Frage stelle ich jeden Gast im Ö3 Wecker zurzeit, weil ich Sie ja nicht sehe, ausser wir haben eine Videokonferenz. Aber: wo sitzen Sie gerade im Homeoffice? In der Hofburg oder bei sich zu Hause in Ihrer Wiener Wohnung?

Alexander Van der Bellen: Na ich bin meistens in der Wiener Wohnung, schaue selten, aber doch in die Hofburg. Wenn hier etwas ganz Wichtiges schnell zu unterschreiben ist. Sonst werden mir die Akten nach Hause gebracht, dann kann ich es zu Hause unterschreiben. Klassisches Homeoffice, Telefon und Videokonferenzen, soweit notwendig. An und für sich läuft der Betrieb weiter. Es ist nur Umständlicher und ich bin ehrlich gesagt nicht so ein großer Freund von Videokonferenzen. Es ist schon okay für einen Informationsaustausch, aber für Situationen, wo man das Gegenüber oder die Gegenüber - es sind ja mehrere Personen meistens - gerne sehen würde, Körpersprache beobachten würde oder seinem Nachbarn irgendeine ironische Bemerkung ins Ohr raunen würde. Das geht alles nicht.

Robert Kratky: Ostern steht bevor. Es ist quasi eines der Familienfeste. Ihre Söhne leben in Tirol und am Bodensee. Die Verwandtschaft Ihrer Frau in Oberösterreich. Sind die Videokonferenzen zu Ostern mit der Familie dann schon gemeinsam organisiert? Oder wie ist da die Planung?

Alexander Van der Bellen: Ja, die Uhrzeiten müssen wir noch vereinbaren. Aber im Prinzip ist es so: Wir bleiben zu zweit, mit dem Hund, also zu dritt, wenn man so will. Aber sonst keine Kontakte über Ostern. Das wird uns abgehen dieses Jahr. Aber es gibt auch ein nächstes Jahr, und da wird es wieder normal sein.

Robert Kratky: Viele Menschen haben diese Tage jetzt auch benutzt, um zu fasten. Und viele von denen, die normalerweise wirklich hart zu sich selber sind, im Verzicht, haben jetzt im Rahmen der Coronakrise gesagt: Ich pfeif jetzt drauf, Fasten auch noch, das geht sich nicht aus. Welche Osterrituale oder Rituale bis zur Osterzeit sind Ihnen denn wichtig, oder was darf denn nicht fehlen? Oder was gibts dieses Jahr, was es normalerweise nicht gibt?

Alexander Van der Bellen: Ja, das Ritual wird eher beibehalten, also heute Gründonnerstag, etwas Grünes, also das heißt Spinat und Kartoffeln oder sowas. Vegetarisch. Am Freitag Fisch und Sonntag dann was schönes Anderes. So in einem gewissen Rahmen halten wir diese Rituale ein. Corona hin und her. Das ist ja unabhängig davon.

Robert Kratky: Herr Bundespräsident: Zusammenhalt, Teamarbeit, weil Sie das gerade angesprochen haben. Zusammenhalt ist momentan eines der wichtigsten Stichworte unserer Gesellschaft. Vor 13 Jahren haben wir von Ö3 gemeinsam mit dem Roten Kreuz das Team Österreich gegründet, um in Notsituationen einander schnell und direkt und unbürokratisch helfen zu können. Der Bundesrettungskommandant und Gründungspartner beim Team Österreich vom Roten Kreuz Gerry Foitik war vor kurzem bei uns zu Gast, und da hat er zur Entwicklung des Teams mit bereits 60 000 Mitgliedern Folgendes gesagt, ich will Ihnen das kurz vorspielen:

Gerry Foitik: Wir haben uns sehr gefreut, dass viele diese Idee verstanden haben und gesagt haben: Ja, ich will! Wir haben gesehen im Jahr 2013 beim Hochwasser, wie mächtig die Hilfe des Team Österreich ist. Und ich kann versprechen, wir werden es auch jetzt sehen. Das wird uns viel Kraft geben. Das wird uns viel Mut geben, und das ist für uns ganz besonders wichtig zu wissen. Da gibts so viele Menschen, die bereit sind zu helfen. Und je mehr da sind, desto besser geht es uns und desto eher können wir mit dieser Krise gut umgehen.

Robert Kratky: Mittlerweile geh en schon hunderte Mitglieder zum Beispiel für ältere Menschen einkaufen in die Apotheke. Es werden täglich mehr. Ist das etwas, was Ihnen schon aufgefallen ist, was Sie wahrgenommen haben? Dieser Zusammenhalt im Land?

Alexander Van der Bellen: Ja, unbedingt. Also das was Gerry Foitik gerade gesagt hat: Mut und Kraft geben, Zuversicht geben. Das ist so wichtig, und ich bin wirklich wirklich ganz bewegt, wie viele Menschen in Österreich sich zusammentun und auch aufmerksam sind, was der oder die andere brauchen könnte.

Robert Kratky: Wir lernen manchmal auch aus der Vergangenheit. Sie sind Geburtsjahrgang 1944. Das heißt, Ihre früheste Kindheit, da müssen noch Erinnerungen übrig sein aus der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, als teilweise noch 10, 15 Jahre danach ganze Stadtteile und Landesteile in Trümmern lagen und die Menschen wieder aufgebaut haben. Heute haben viele das Gefühl, mich hat erst unlängst wieder eine sehr junge Hörerin gefragt, mit sehr traurigen Augen: Wird das Leben wieder schön sein? Viele haben oft das Gefühl, es fehlt ein bisschen an Mut beim Blick in die Zukunft. Verbinden Sie Erinnerungen aus Ihrer Kindheit, aus Ihrer Jugend, aus der Zeit, als Österreich wieder aufgebaut worden ist, als die ganze Welt bzw. Europa wieder aufgebaut worden ist mit Erlebnissen und Eindrücken, wie sie uns heute umgeben? Und was können wir daraus lernen?

Alexander Van der Bellen: Was wir daraus lernen können, ist die Zuversicht, dass es eines Tages schon wieder aufwärts geht. Meine frühen Kindheitserinnerungen sind ja vom Land nicht von der Stadt und von der Armut, wirklich aus heutiger Sicht unglaublichen Armut. Heute ist das anders. Die ganze Infrastruktur ist ja da. Wir müssen kein Haus wieder neu aufbauen, sondern womit wir kämpfen werden die nächsten Monate, das ist natürlich ein Wirtschaftseinbruch, der unvermeidlich ist. Der ganze Tourismus liegt auf Wochen und Monate brach. Aber es wird schon wieder gehen. Es wird eine Zeitlang dauern, aber es wird wieder gehen.

Robert Kratky: Es wird schon wieder werden, und wir werden das schon schaffen. Wenn man das im Fernsehen sieht, wenn Sie das sagen, wirkt das immer sehr glaubwürdig. Das kommt wirklich von Herzen?

Alexander Van der Bellen: Das kommt von Herzen! Ich weiß nicht: Ist das eine Alterserscheinung? Wenn man schon viel erlebt hat und sich erinnert, dass man mal eine schlechte Phase gehabt wird, vielleicht ganz depressiv war und so. Aber es ist vorübergegangen. Es ist vorüber gegangen, und es wird auch dieses Mal eines Tages und so lange ist das jetzt auch wieder nicht weg wieder vorübergegangen sein.

Robert Kratky: Wenn ich den Herrn Bundespräsidenten persönlich dran habe, haben Sie eine Osteransprache, zufälligerweise in der Anzuginnentasche? Das ist ja doch jetzt die Sendung mit den meisten Hörern in diesem Land. Was würden Sie den Menschen denn gerne mitgeben?

Alexander Van der Bellen: Der Ostersonntag ist eigentlich doch ein Fest der Hoffnung, der Auferstehung von etwas Totgeglaubtem. Also, wenn man sich das vor Augen hält, das ist ein Fest der Hoffnung ist , dann werden wir diesmal Ostern, auch wenn es im kleinsten Kreis ist, fröhlich feiern können. Also nicht den Mut verlieren. Fröhlich bleiben. Es wird schon wieder.

Robert Kratky: Ich darf mich ganz, ganz herzlich für dieses schöne Gespräch bedanken. Wünsche Ihnen und Ihrer Familie selbstverständlich frohe Osterfeiertage und wie man momentan sagt Gesund bleiben, nicht?

Alexander Van der Bellen: Ja, genau gesund bleiben. Danke Herr Kratky. Bis zum nächsten Mal!