Verabschiedung von Hugo Portisch

»Die Zuversicht ist vielleicht das Wichtigste, was uns Hugo Portisch ins Stammbuch geschrieben hat.«

Worte von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Verabschiedung von Hugo Portisch

Liebe Trauernde!

Schwer ist es, Worte zu finden, angesichts dieser verstummten Stimme.

Schwer ist es, Abschied zu nehmen von einer Stimme, von der wir glaubten, sie werde uns immer begleiten; sie werde uns stets in den Momenten Erklärungen anbieten können, wo wir selbst noch im Dunkeln tappten.

Und wir tappen nun im Dunkel, das der Tod von Hugo Portisch in uns hervorgerufen hat.

Und doch weiß ich: das wäre ihm nicht recht gewesen; ihm, der sich mit all seinem Können, und das war wahrlich nicht gering, dem Erhellen, dem Ans-Licht Bringen verschrieben hatte.

Es ist daher angemessen, der Trauer die Dankbarkeit zumindest zur Seite zu stellen:

Die Dankbarkeit für ein journalistisches Schaffen, das unser Land tief geprägt hat. Dankbarkeit für eine begeisterte Suche nach Wahrheit, für eine mitreißende Freude an der Erkenntnis.

Was war das für ein Feuerwerk, das Hugo Portisch entzünden konnte! Wie war man mitgerissen in die Abenteuer des Weltgeschehens, wenn er zu sprechen anfing!

Und doch entzog sich dieser kritische Geist der Verlockung des Allzu-Einfachen und zog souverän die scharfe Trennlinie zwischen dem Populären und dem Populistischen.

Wie Hugo Portisch das alles gelingen konnte? Es gelang ihm dadurch, dass er uns selbst zu Fragenden, zu Suchenden machte; dadurch, dass er in uns die Neugierde wachrufen konnte, historischen und politischen Zusammenhängen auf den Grund zu gehen.

Wenn wir heute hier von diesem großen Österreicher und Weltbürger Abschied nehmen, wenn wir uns dankbar an das erinnern, was er unermüdlich vermittelt hat, dann glaube ich, dass wir seiner Person am ehesten gerecht werden, wenn wir fragen:

Was ist es, das uns Hugo Portisch mitgegeben hat? Drei Aspekte möchte ich erwähnen:

Hugo Portisch hat uns gezeigt, was unabhängiger Journalismus zu leisten vermag und warum er für ein Gemeinwesen unverzichtbar ist. Sich nicht vereinnahmen zu lassen, auch der eigenen Meinung zu misstrauen und nur den Tatsachen verpflichtet zu bleiben, das ist das eine große Erbe, das uns Hugo Portisch hinterlässt.

Das zweite ist die Freiheit als größtes Gut einer Gesellschaft. Wobei Freiheit eben gerade nicht bedeutet, dass Jeder und Jede machen kann, was er oder sie will. Freiheit kann es nur gemeinsam geben. Sie beruht auf Respekt, Rücksichtnahme und Solidarität.

Und als Drittes möchte ich den Optimismus nennen, den Optimismus auch und gerade angesichts von Entwicklungen, die leicht dazu führen könnten, die Hände fatalistisch in den Schoß zu legen.

Das aber war für Hugo Portisch keine Option. Aus eigener Erfahrung wusste er um die große Kraft des Optimismus‘, wusste, dass wir immer versuchen können, die Gegenwart zu verbessern und auf eine lebenswerte Zukunft hinzuarbeiten.

Diese Zuversicht ist vielleicht das Wichtigste, was uns Hugo Portisch ins Stammbuch geschrieben hat. Und wir tun gut daran, uns daran immer wieder zu erinnern.

Adieu Hugo Portisch!

Verabschiedung von Hugo Portisch 29. April 2021
Verabschiedung von Hugo Portisch 29. April 2021

Fotos: Peter Lechner/HBF