»Österreich und Israel haben eine besondere Beziehung zueinander.«

Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zum Festakt anlässlich des 70. Unabhängigkeitstages des Staates Israel.

Herr Präsident des Nationalrates,
Exzellenz, hochwürdigster Herr Apostolischer Nuntius,
Frau Botschafterin des Staates Israel,
Herr Bundesminister,
Frau Staatssekretärin,
Herr Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde,
sehr geehrte Damen und Herren! 

Israel kann mit Stolz und Freude auf 70 Jahre Unabhängigkeit in einem eigenen Staat zurückblicken. Ich habe daher Ihre Einladung dankend und gerne angenommen, um mich mit Ihnen zu freuen, und auch, um die Leistungen zu würdigen, die Israel und seine Bürgerinnen und Bürger in diesen Zeiten erbracht haben. 

Österreich anerkannte Israel mit Ministerratsbeschluss vom 15. März 1949, also 10 Monate nachdem David Ben Gurion die Unabhängigkeitserklärung verlesen hatte. 

Die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen datieren wir auf das Frühjahr 1956 als der österreichische Generalkonsul in Tel Aviv zum Geschäftsträger ernannt wurde.

Zu dieser Zeit war der erste große arabisch-israelische Krieg längst vorbei, der im Mai 1948 begonnen hatte und Mitte 1949 mit entsprechenden Waffenstillstandsabkommen beendet werden konnte. 

Zwei weitere große militärische Auseinandersetzungen sollten folgen, 1967 der Sechs-Tage-Krieg und 1973 der Yom-Kippur-Krieg. 

Die kleineren, aber nicht unbedeutenden Konflikte etwa um Gaza oder den Südlibanon zähle ich nun nicht alle auf. In diesen Jahrzehnten hat sich die israelische Armee eine hervorragende Reputation erarbeitet.  

Als ich das erste Mal mit dem Auto von Tel Aviv nach Jerusalem fuhr, wurde mir erst richtig bewusst, wie klein das Land ist, wie kurz die Distanzen, wie nahe die Grenzen sind.

Andere, größere Länder können es sich vielleicht leisten, eine Schlacht zu verlieren und dennoch den Krieg zu gewinnen.

Nicht Israel - angesichts der Kleinheit des Landes. 

Österreich und Israel haben eine besondere Beziehung zueinander. 

Auf die kürzest mögliche Formel gebracht: Adolf Hitler war Österreicher. Auch wenn er seine unheilvolle mörderische Karriere im Deutschen Reich begonnen und bis zu seiner Vernichtung fortgesetzt hat. 

In den sieben Jahren von 1938 bis 1945 hat sich der Terror des NS-Regimes nicht nur, aber vor allem gegen Österreichs jüdische Bevölkerung und damit gegen die Vorfahren vieler Gäste dieses heutigen Festakts gerichtet. 

Viele derer, die diese Entwicklungen damals erkannt oder auch nur erahnt haben, sie oft nur mit Glück überlebt haben, haben später in Israel Sicherheit und eine neue Heimat gefunden. 

Und jede und jeder hat in mannigfaltiger Weise am Aufbau des neuen Staates mitgewirkt. 

Für die Gräueltaten, vor denen diese Menschen flüchten mussten, für die Shoah, trägt Österreich Mitverantwortung. 

Österreicherinnen und Österreicher waren eben nicht nur Opfer des Nazi-Regimes, zu viele waren auch Täter, in der Gestapo,  in der SS, in den Konzentrations- und Vernichtungslagern.  

Es hat lange gedauert, sich diesem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte zu stellen. Aber heute bekennt sich Österreich zu dieser Verantwortung. Es wird dies auch in Zukunft tun.  

Darum verbeugen wir uns in Demut vor allen Opfern. Hier und heute vor allem vor allen jüdischen Opfern des Nationalsozialismus.  

Gerade, wenn das Elend, das Grauen, nicht mehr aus eigenem Erleben bezeugt werden kann, wenn die Zahl derer, die Zeugnis ablegen können, ständig abnimmt, gerade dann ist uns die Auseinandersetzung mit der dunklen Vergangenheit unseres Landes Pflicht und Verpflichtung.  

Manche, die Österreich verlassen mussten, um ihr Überleben und das ihrer Familien zu sichern, sind später, oft nach höchsten Verdiensten in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft für den Staat Israel bzw. für die internationale Gemeinschaft zurückgekommen und haben ein neues Österreich vorgefunden.  

In aller Deutlichkeit: Sie sind herzlich willkommen!  

Wir erinnern uns an die intellektuelle Hochblüte Wiens in den Jahrzehnten vor und nach 1900, für die jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wesentlich verantwortlich waren.

Wir erinnern uns, dass Theodor Herzl in Budapest geboren und in einem Dorf an der Rax (NÖ) gestorben ist, und dass sein Buch „Der Judenstaat“ 1896 in Österreich erschienen ist.

Wir erinnern uns, dass mit dem Erstarken des Antisemitismus die intellektuelle Verarmung Österreichs schon bald nach dem Ende des Ersten Weltkrieges begonnen hat, lange vor 1933 bzw. 1938. Die Universität Wien etwa, an der ich fast 20 Jahre als Professor tätig sein durfte, hat bei den Feiern ihres 650-jährigen Bestehens diesem antisemitisch bedingten Niedergang eine große informative Ausstellung gewidmet.

Und wir sind dankbar, dass wir mit dem belebten Austausch in Kultur und Wissenschaft, mit der engen Kooperation zwischen israelischen und österreichischen Universitäten wieder an 1900 anknüpfen können, und nicht an die Jahre danach. So habe ich etwa den Physiker Chaim Harari vom Weizmann Institut bei einem Israel-Aufenthalt besucht. Und dieser Chaim Harari war maßgeblich daran beteiligt, dass das IST-A in Klosterneuburg zu einem Erfolg wurde. 

Österreich gratuliert Israel herzlich zur phänomenalen Entwicklung von Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie in den vergangenen 70 Jahren, und wünscht alles alles Gute für die kommenden 70 Jahre!

Vielen Dank.

70. Unabhängigkeitstag des Staates Israel
70. Unabhängigkeitstag des Staates Israel