Videogrußbotschaft von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Befreiungsfeier von Mauthausen 2020

»Mauthausen ist nicht vom Himmel gefallen«

Kranzniederlegung im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und Videogrußbotschaft von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Befreiungsfeier von Mauthausen 2020

Liebe Österreichinnen und Österreicher und alle Menschen, die hier leben,

75 Jahre ist es her, dass amerikanische Truppen das Konzentrationslager Mauthausen, sowie Gusen und andere Lager befreiten.

75 Jahre ist es her, dass das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte beendet werden konnte.

Seit 75 Jahren ist Mauthausen ein Ort gegen das Vergessen.

75 Jahre – also ein Dreiviertel-Jahrhundert. Das ist eine lange Zeit.

Und dennoch sind die Ereignisse, die sich in den Konzentrationslagern zugetragen haben, bis heute eine offene Wunde in der Geschichte Österreichs.

 

Fassungslos – auch heute noch – und voll Scham verneigen wir uns vor den Opfern von damals.

Voll Demut bekennen wir ein, dass wir das Geschehene nicht ungeschehen machen können.

Und auch wenn die Nachgeborenen keine Schuld trifft – Verantwortung müssen wir dennoch übernehmen.

Wir müssen besonders dafür Sorge tragen, dass die junge Generation erfährt, was damals geschehen ist und wie es dazu kam.

Wir wollen jungen Menschen die Fähigkeit vermitteln, wachsam zu sein, nicht wegzuschauen, Diskriminierungen nicht einfach hinzunehmen, Zivilcourage gegenüber Intoleranz zu zeigen, zu ermutigen, gegen Unrecht aufzutreten.

Mauthausen ist nicht vom Himmel gefallen. Der Holocaust war der grausame Endpunkt. Am Anfang stand das Schweigen, das Wegschauen, als Antisemitismus und Rassismus ihre hässliche Fratze zeigten und schleichend von der Gesellschaft Besitz ergriffen.

Viele Österreicher waren Täter. Österreich bekennt sich zu seiner Mitschuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus; bekennt sich zur Mitschuld an der Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti, Menschen mit Behinderung, Homosexuellen, politisch Andersdenkenden, Widerstandskämpfern und Deserteuren.

Für sie alle ist Mauthausen ein Symbol ihrer Leiden. Mauthausen ist ein Synonym für das Unvorstellbare. Mauthausen ist eine Mahnung.

Mauthausen ist das steingewordene „Niemals wieder!“.

„Niemals wieder“ bedeutet heute: keine Toleranz gegenüber Rassismus, keine Toleranz gegenüber Antisemitismus.

Die Menschenwürde ist unteilbar!

 

​​​​​​​

Kranzniederlegung im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen 5. Mai 2020
Kranzniederlegung im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen 5. Mai 2020

Fotos: Peter Lechner/HBF

Zum 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Mauthausen und seiner 49 Nebenlager hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag auf dem Appellplatz des ehemaligen Lagers im Gedenken der Opfer einen Kranz niedergelegt. "Fassungslos - auch heute noch - und voll Scham verneigen wir uns vor den Opfern von damals", hatte der Bundespräsident in seiner Videobotschaft erklärt.

Die traditionelle Mauthausen-Befreiungsfeier findet heuer zwar wie immer am 10. Mai statt, wegen der Corona-Pandemie allerdings online auf der Website des Mauthausen Komitees Österreich. Von 1938 bis zur endgültigen Befreiung des KZ am 7. Mai 1945 durch die 11. Panzerdivision der Dritten US-Armee kamen nach Mauthausen 200.000 Gefangenen, die Hälfte von ihnen überlebte die NS-Vernichtungsmaschinerie nicht.