Alexander Van der Bellen vor der Menschenrechtstafel am Parlement

Kennen Sie das schönste politische »Gedicht« der Kulturgeschichte?

In einer Zeit, in der sich vieles verändert, sollten wir unseren Blick auch auf das richten, was Bestand haben soll. Auf das, was das Fundament unseres Zusammenlebens bildet: unsere Grund- und Freiheitsrechte. Sie sind der Stoff, aus dem wir – Alt und Jung – unsere Zukunft zuversichtlich formen können.

In der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“, die am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurden, sind die grundlegenden Menschenrechte festgeschrieben. Geboren aus der Europäischen Aufklärung ist diese Erklärung eine Antwort auf den Aufstieg von Faschismus und Totalitarismus, die Gräuel zweier Weltkriege und den Holocaust. Sie ist das weltweit wichtigste und einflussreichste Dokument, das die Würde des Menschen ins Zentrum stellt und die bürgerlichen, politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte jedes Menschen festschreibt.

Es ist ein mehr oder weniger sachlicher, vielleicht sogar trockener Text. Aber zugleich ein leidenschaftliches Plädoyer – ein politisches „Gedicht“. Vielleicht das schönste politische „Gedicht“ der Kulturgeschichte:

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

Heute würde man statt Brüderlichkeit wohl Solidarität sagen.

Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit machen das Wesen Europas und Österreichs aus. Ohne sie kann es das offene, vielfältige, sichere und schöne Land, in dem wir leben wollen, nicht geben. Diese Rechte müssen freilich jeden Tag neu errungen und gesichert werden.

Jeder Mensch kann frei seine Meinung sagen. Es herrscht Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, die Freiheit der Wissenschaft und der Kunst, Aufenthaltsfreiheit, die Unverletzlichkeit des Eigentums, die Freiheit der Berufswahl und Berufsausbildung, die Erwerbsfreiheit, die Gleichberechtigung der ethnischen Gruppen Österreichs, um nur einige zu nennen. Und es gilt: Vor dem Gesetz sind alle Staatsbürger:innen gleich. Diese Grund- und Freiheitsrechte sind in Österreich verfassungsgesetzlich gewährleistet. Sie sind die notwendige Voraussetzung unserer liberalen Demokratie im Sinne von echtem Pluralismus, mit garantierten Minderheitenrechten und demokratischen Wahlen, deren Ergebnis einen friedlichen Machtwechsel zulassen.

Wir brauchen den Respekt vor Andersdenkenden, Respekt von Minderheitenrechten und die Unterstützung für Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, in unserer Gesellschaft.

In Österreich herrscht Konsens darüber, dass die Einhaltung unserer Grund- und Freiheitsrechte ein zentrales Grundprinzip unserer liberalen Demokratie ist. Wir brauchen den Respekt vor Andersdenkenden, Respekt von Minderheitenrechten und die Unterstützung für Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, in unserer Gesellschaft. Am Umgang mit Menschen, die Hilfe brauchen, zeigt sich, was unsere Werte wirklich wert sind.