Forum Alpbach: »Nicht zurückfallen in die alte Kleinstaaterei«

Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Politischen Gespräche des Europäischen Forum Alpbach eröffnet. In seiner Eröffnungsrede plädiert er für ein Miteinander in der EU.

Die Zukunft Europas ist am Sonntagnachmittag im Fokus der Eröffnung der Politischen Gespräche beim Europäischen Forum Alpbach gestanden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen plädierte in seiner Rede für ein Miteinander in der EU - nur so ließen sich Folgen der Digitalisierung, des Klimawandels und Migrationsfragen lösen "und nicht auf der nationalstaatlichen Ebene allein".

Alexander Van der Bellen hob bei seinem ersten Auftritt beim Forum Alpbach in seiner Funktion als Bundespräsident auch das Vereinte Europa in Gestalt der Europäischen Union als "einzigartige Zivilisationsleistung" hervor, die durch "pure Einsicht" insbesondere angesichts der Entwicklungen in Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hergestellt worden sei "und nicht durch Gewalt". Was dadurch erreicht worden sei, hätten die Länder "isoliert voneinander" nicht erzielen können. Der Bundespräsident nannte zudem die "europäischen Grundwerte" als wichtigen "Kompass", den man nicht vergessen solle - Freiheit, Gleichheit und Solidarität, aber auch Toleranz, Respekt, Rechtsstaatlichkeit, Humanität und Empathie.

Gerade junge Europäer hätten mit der europäischen Identität kein Problem, unterstrich Bundespräsident Van der Bellen. Für sie sei es normal, "Tiroler, Österreicher und Europäer" oder "Sizilianer, Italiener und Europäer" zu sein, was ihn optimistisch stimme. Den Brexit bezeichnete der Bundespräsident als "tragische Fehlentscheidung", die einen jedoch nicht in Depression versetzen solle.

"Wir haben einen problematischen Nachbarn jenseits des Atlantiks, der schwer einzuschätzen ist", und "einen problematischen Nachbarn" an der "östlichen Außengrenze der Union", und natürlich sei es für solche Nachbarn interessant darüber nachzudenken, "wie sie die Union auseinanderdividieren können", sagte Alexander Van der Bellen - schon aus dem simplen Grund, weil es aus ihrer Sicht wohl einfacher sei, mit einem einzelnen Staat zu verhandeln und einen Erfolg zu erzielen, als mit einer Union von 500 Millionen Einwohnern. Es liege daher im Interesse jedes EU-Mitgliedsstaates, "nicht zurückzufallen in die alte Kleinstaaterei".
 
Im Rahmen der rund zweieinhalbstündigen Eröffnungsveranstaltung fand die Uraufführung des Stückes "atem;aus;atmen", eine Paraphrase auf "71 oder Der Fluch der Primzahl" nach einem Theaterstück über die Flüchtlingstragödie von Parndorf statt. Vor genau zwei Jahren, am 27. August 2015, waren in einem abgestellten Lkw 71 Leichen entdeckt worden. Die geschleppten Flüchtlinge waren im luftdicht abgeschlossenen Laderaum erstickt.

Die Politischen Gespräche befassen sich bis Dienstag mit einer breiten Palette an Aspekten von "Konflikt und Kooperation". Am Montag widmen sich mehr als 20 unterschiedliche Arbeitskreise ("Breakout Sessions") Themen wie "Krieg und Demokratie in der Ukraine", "60 Jahre Konflikte und Kooperation in Europa" sowie "Wissenschaftsbasierte Politikgestaltung in Zeiten der Post-Wahrheit". Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) wird am späten Montagnachmittag mit seinen Amtskollegen aus Estland und Belgien, Andres Anvelt und Jan Jambon, sowie mit dem EU-Anti-Terror-Koordinator Gilles de Kerchove bei einem Panel über "Sicherheit und Freiheit in der digitalen Zukunft" diskutieren. Mit "Green Innovation" beschäftigt sich dann im Anschluss eine Podiumsdiskussion mit Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), dem US-Ökonomen Jeffrey D. Sachs und Ex-ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer. Am Dienstag steht das Thema Nachhaltigkeit inhaltlich im Mittelpunkt.

APA/PRK