Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Feierlichen Sitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zur künstlichen Intelligenz.

Bundespräsident: »Wir haben ein Experiment gemacht«

Rede von Alexander Van der Bellen bei der Feierlichen Sitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zu künstlicher Intelligenz.

Meine Damen und Herren!

Ich werde mich ein paar Minuten strikt an den Text halten, der vor mir liegt. Und anschließend erklären, warum.

 

Sehr geehrte Mitglieder der Österreichischen Akademie der Wissenschaften!

Ich freue mich sehr, heute vor Ihnen zu stehen und die Leistungen und Herausforderungen von und für Wissenschaft und Forschung in Österreich zu betonen.

Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler leisten täglich herausragende Arbeit und tragen maßgeblich dazu bei, unser Verständnis von der Welt und unseren Platz darin zu erweitern. Die Geisteswissenschaften sind dabei genauso wichtig wie die Lebenswissenschaften. Die Erkenntnisse, die wir aus beiden Bereichen gewinnen, sind unverzichtbar, um die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.

Dabei können wir uns glücklich schätzen, dass wir in Österreich Forschungseinrichtungen wie die Österreichische Akademie der Wissenschaften haben. Die Leistungen dieser Einrichtungen sind beeindruckend, ob es nun um die Erforschung von Sprachen, Kunst und Kultur geht oder um die Entwicklung von Medikamenten und Therapien.

Doch wir stehen auch vor großen Herausforderungen.  Eine davon ist die Wissenschaftsskepsis. Während es immer wichtig war, die Wissenschaft zu hinterfragen und kritisch zu betrachten, sehen wir heute eine wachsende Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen und Methoden.

Um diese zu verringern, müssen wir uns bemühen, Wissenschaft besser zu vermitteln und aufzuklären. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Gesellschaft auf Basis fundierter Erkenntnisse Entscheidungen trifft. Wichtig ist dabei auch zu betonen, dass die Wissenschaft nach Wahrheit forscht, sie aber nicht besitzt. Es kann vorkommen, dass Forschungsergebnisse sich als falsch herausstellen oder dass neue Erkenntnisse unsere bisherigen Annahmen infrage stellen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Wissenschaft generell fehlerhaft ist oder keine Bedeutung hat. Im Gegenteil, sie lernt aus ihren Fehlern und entwickelt sich stetig weiter. Dies ist ein wichtiger Aspekt, den wir im Umgang mit Wissenschaft und Forschung immer berücksichtigen sollten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg in Ihrer Arbeit.

Das war der erste Teil.

Wir haben ein Experiment gemacht in der Hofburg und ich hoffe, Sie nehmen uns das nicht übel.

Also das, was Sie bisher gehört haben, Sie können es sich vielleicht schon vorstellen, das hat kein Mensch komponiert, sondern eine Maschine: ChatGTP.

Ich weiß nicht, wie Sie es aufgenommen haben. „Allerweltsrede“ vielleicht ein bisschen, ja. Nicht völlig falsch auf der anderen Seite. Sie hätten vielleicht höflichkeitshalber auch geklatscht. In diese Verlegenheit wollte ich Sie nicht bringen.

Mein Team in der Hofburg sagt mir, sie haben ungefähr zehn, fünfzehn Minuten gebraucht, um sich zu überlegen, was geben wir vor. ChatGTP muss ja einen Befehl erhalten. Und wie sie sich dann nach zwölf, fünfzehn Minuten geeinigt hatten, der Text war in vier Sekunden da.

In vier Sekunden.

Ich habe jetzt ein bisschen mehr Zeit gehabt, mir das anzuschauen als Sie. Die Begrüßung war natürlich falsch, aber das passiert sonst auch. Es sind ja mehr Anwesende da als die Mitglieder der Akademie. Gewundert hat mich schon, dass kein Wort zu Professor Zeilinger oder zu Professor Faßmann vorkommt.

Also ich hoffe, dieses Programm lernt. Weil je mehr Zeit man vertun muss, die richtigen Angaben einzupflegen, desto mehr kann man selber auch schreiben, ja? Aber es ist interessant.

Es heißt natürlich einiges für den Schulbereich und für den Wissenschafts-, also für den Unterrichtsbereich an den Universitäten. Ich meine, schriftliche Prüfungen unter Zuhilfenahme des modernen Handys, sorry.

Mündliche Prüfungen werden vielleicht wichtiger, aber prüfen Sie einmal eine Matura in Mathematik nur mündlich.

Ich hatte neulich ein Gespräch mit ein paar jungen Kollegen und Kolleginnen von der Bundesschülervertretung. Und die hatten mir erzählt, sie haben eine Matura, also die Aufgabe von der schriftlichen Matura in Mathematik, in ChatGPT eingegeben. Die Maschine hätte die Prüfung bestanden. Die Note vielleicht drei bis vier, nicht sehr gut, aber sie hätte bestanden.

Und die jungen Kolleginnen und Kollegen setzen sich jetzt zusammen an der Schule oder in der Klasse und schauen sich das noch einmal an, um zu untersuchen, wo hat sich die Maschine geirrt? Warum hat sich die Maschine geirrt? Könnte mir das auch so passieren?

Und ich finde, so kann man dieses Instrument schon in der Schule sehr gut – sozusagen – zum beiderseitigen Lernen einsetzen. Was offen bleibt, ist das beiderseitig. Ich meine, dass die Schülerinnen und Schüler dabei etwas lernen, ist klar. Aber was merkt sich die Maschine?

Und es diesen jungen Kollegen zu verbieten, Verbannen, wird auf die Dauer nicht funktionieren. Dieses neue Instrument, diese neue Technologie, ist nun einmal da. Wenn wir uns zurück erinnern an Diskussionen aus dem 17., 18. Jahrhundert, Siegeszug der Aufklärung, hatte man auch, ich hoffe, mein Französisch reicht aus, „La Querelle des Anciens et des Modernes“. Also der Streit zwischen dem Alten und dem Neuen. Und auf die Dauer, in the long run, setzt sich das Neue durch. Da kann man jetzt über ChatGTP denken, was man will.

Abschließend: Es sind schon ein paar ältere Semester da, so wie ich. Können Sie sich erinnern an Stanley Kubricks Film „2001 – Odyssee im Weltraum“? Dieser Film war von 1968 - sage und schreibe. Und das Ende des Films, wenn ich recht erinnere, da kommt die Crew in Konflikt mit dem Bordcomputer des Raumschiffs. Der Bordcomputer macht sich selbstständig und tut nicht mehr das, was die wollen, sondern führt sein Eigenleben. Sodass zum Schluss nichts anderes übrigbleibt, als diesen - sozusagen "lebendigen" Computer  - umzubringen. Stanley Kubrick 1968.

Ich glaube, wir werden noch viel lernen müssen.

Ich danke – jetzt wirklich – für Ihre Aufmerksamkeit.

Feierliche Sitzung der Akademie der Wissenschaften 12. Mai 2023
Feierliche Sitzung der Akademie der Wissenschaften 12. Mai 2023

Fotos: Peter Lechner und Paul Kulec/HBF