Alexander Van der Bellen vor der Europaflagge und der österreichischen Flagge

Europa – eine immerwährende Chance und Herausforderung

Ohne Passkontrollen reisen, arbeiten wo man will, mit einer einzigen Währung bezahlen – für viele von uns ist das heute eine Selbstverständlichkeit.

Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht in Europa: Frieden, Freiheit, Wohlstand. Jetzt steht Europa erneut vor einer großen Herausforderung. Die Europäische Union ist eine Erfolgsgeschichte. Mehr als 70 Jahre Frieden in (West-)Europa. Immer mehr Wohlstand. Immer mehr Freiheit. Aber natürlich ist die EU alles andere als perfekt. Wie auch kein Staat je perfekt sein kann. Deshalb ist auch eine Diskussion über die Weiterentwicklung der EU wichtig und notwendig.

Die EU ist eine immerwährende Chance und eine immerwährende Herausforderung. Im Moment steht sie einmal mehr vor einer sehr großen Bewährungsprobe: Wird die EU, nach dem Brexit-Votum des Vereinigten Königreiches und nationalistischen Bestrebungen in einzelnen Ländern, ihren Zusammenhalt festigen können?

Unbestritten ist aber: Das Friedensprojekt Europa ist eine Vision, die die EU seit Jahrzehnten zusammenhält. Jahrhundertelang haben sich die europäischen Völker gegenseitig bekriegt. Eine immer engere wirtschaftliche und politische Verschränkung und Zusammenarbeit sollte schließlich nach den zwei furchtbaren, zerstörerischen Weltkriegen jeden neuerlichen Krieg zwischen europäischen Staaten verhindern. Mit Erfolg.

Große Fragen wie die Klimakrise, die Migrationsfrage oder die digitale Transformation können nur auf EU-Ebene gelöst werden.

Und heute gilt mehr als je zuvor: Große Fragen wie die Klimakrise, die Migrationsfrage oder die digitale Transformation können nur auf EU-Ebene gelöst werden. Kein einzelner europäischer Staat kann diese Fragen alleine bewältigen. Deswegen brauchen wie ein starkes vereintes Europa.

Der Glaube, mit dem Rückzug auf den Nationalstaat könnte Österreich seine Interessen in einer sich globalisierenden Welt besser vertreten als mit der geballten Kraft der EU, ist eine gefährliche Utopie. Er würde die freiwillige Verzwergung in einer Welt umgeben von Riesen wie China, USA oder Russland bedeuten.

Gerade für Österreich als mittelgroßer Staat im Zentrum Europas ist die europäische Einheit daher von essenzieller Bedeutung. Lassen wir uns also nicht vereinzeln. Wir brauchen das gemeinsame Europa: friedenspolitisch, wirtschaftspolitisch, gesellschaftspolitisch.

Unser Haus Europa

Das Haus Europa kann aber nur erfolgreich weitergebaut werden, wenn wir die Fundamente festigen, unsere europäischen Grund- und Freiheitsrechte sowie die Menschenrechte verteidigen, außen-, wirtschafts- und friedenspolitisch an einem Strang ziehen und wenn die Bewohnerinnen und Bewohner unseres Hauses einander vertrauen.

Wir sollten Europa wieder mit neuen Augen sehen, es wieder neu schätzen lernen als eine Vielfalt, die gemeinsam etwas erreichen will. Entdecken wir unsere Leidenschaft für ein gemeinsames Europa, diese einzigartige Errungenschaft in der Geschichte der Menschheit, wieder neu.

Als Bundespräsident, als Europäer, als Österreicher, als Tiroler werde ich mich zeitlebens für dieses gemeinsame Europa einsetzen. Denn ich bin davon überzeugt, dass der europäische Weg der richtige ist. Vielleicht nicht immer der einfachste, aber der richtige.