Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen anlässlich der Eröffnung der Salzburger Festspiele 2019

»Die Klimakrise ist hier. Wir können sie greifen.«

Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen anlässlich der Eröffnung der Salzburger Festspiele.

 

Meine Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde der Salzburger Festspiele!

 

Vielen Dank, Peter Sellars.

Ich wusste schon vorab, dass Sie einiges über Klimaschutz, Klimaveränderung sagen werden.

Kiribati haben Sie erwähnt. Vor zwei Jahren hatte ich Besuch vom Präsidenten von Kiribati. Er war auf dem Weg zur internationalen Klimakonferenz und ich habe ihn gefragt: „Herr Präsident, was ist der höchste Berg auf Kiribati?“ Er hat einen Moment überlegt und hat gesagt: „Naja, zwei bis drei Meter.“

Wenn man berücksichtigt, dass die Insel auf dem Meeresspiegel liegt, muss man dem Präsidenten und den anderen Einwohnern nicht erklären, dass die Klimaveränderung kein Mythos ist, sondern etwas Reales.

Die Klimaveränderung, die Klimakrise ist hier. Wir können sie greifen.

Auf Kiribati natürlich noch mehr als bei uns. Jeder versteht dort, dass es um das schlichte Überleben geht. Und wenn es so weitergeht, geht dieser Lebensraum unwiederbringlich, irreversibel verloren.

So weit sind wir noch nicht. Wir grüßen uns mit schweißnassen Händen, aber wir könnten registrieren, dass hier etwas im Gange ist, wenn wir wollten.

Wir lesen die Zeitung, wir hören die Medien. Wir hören, welcher Monat der heißeste in der Geschichte war seit es Aufzeichnungen darüber gibt.

Salzburg und die Mythen

Man könnte auch sagen, die Klimagötter sprechen seit vielen Jahren zu uns, aber wir wollen nicht hören. Man könnte sagen, sie sprechen seit Jahrzehnten zu uns – Klimaforschung gibt es seit 100 Jahren – und sie sprechen seit 50 Jahren mit steigendem Crescendo zu uns.

Aber wie in einer griechischen Tragödie könnte man vermuten, steuern wir in einem selbstkumulierenden, irreversiblen und nicht linearen Prozess dem Abgrund zu.

Wenn etwa Permafrostböden auftauen wird Methan frei. Wenn Moore austrocknen wird CO2 frei. Dann haben wir einen selbstverstärkenden, selbstkumulierenden Effekt.

Nicht-Linear, weil wir nicht wissen, wo die Kipppunkte sind. Es ist nicht so, dass fünf Prozent mehr Erwärmung, fünf Prozent mehr Klimaveränderung bewirkt, sondern wir wissen nicht genau, wo diese Kipppunkte sind.

Und schlussendlich irreversibel: Wenn ich ein hässliches Haus baue, kann ich es abreißen und ein neues bauen. Das ist mit dem Klimawandel ganz anders.

Aber natürlich wäre ich nicht der Bundespräsident, wenn ich nicht trotz allem Anlass zur Zuversicht und Hoffnung sähe.

Freitagmittag – wo bin ich da normalerweise? In der Hofburg, in meinem Büro und schaue auf den Heldenplatz und höre dort die Fridays For Future – ungefähr zwischen elf und zwei Uhr nachmittags.

Neue Bewegungen, die von der Jugend ausgehen – von Kindern, Jugendlichen, Studentinnen, die uns unmissverständlich darauf aufmerksam machen: Ihr – nämlich wir Älteren – seid die, die unsere Zukunft zu verspielen drohen.

Und das ist eine durchaus ernst gemeinte Ermahnung, wenn Sie so wollen.

Und da braucht man mit mir nicht zu diskutieren, ob bestimmte Paragraphen der Schulordnung eine Demonstration zwischen elf und vierzehn Uhr nicht zulassen. Der Stoff, der in dieser Zeit gemacht würde, muss ja sowieso nachgeholt werden.

Ich sehe interessante Bewegungen. Ich glaube nicht, dass die Zukunft des Capitalism schon zu Ende ist. Wir werden ihn ein bisschen verändern. Aber ich sehe hier eine Bewegung – wenn man so will – von ganz unten, also von den ganz Kleinen, den Zehn,- Vierzehn-, Einundzwanzigjährigen, die ihre Eltern und Großeltern beeinflussen einerseits und andererseits – sozusagen – von oben, den Spitzen des Kapitalismus.

 

Letzten Herbst bei der UNO-Konferenz in New York hat Präsident Macron ein Treffen mit CEOs großer Investmentfonds organisiert. Bill Gates war persönlich dort, der CEO von BlackRock.

Reiche Leute, das war die Aussage der CEOs, die Kunden dieser Investmentfonds, legen zunehmend Wert darauf, dass die Investments nachhaltig sind.

Wir haben hier zwei Prozesse, die mir Zuversicht geben. Von unten und von oben. Aber in der Mitte hapert’s noch ein bisschen, das stimmt schon.

Immerhin.

Frau Präsidentin (Helga Rabl-Stadler), die Kunst ist auch schon im Boot. Ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell geht.

Politische Parteien, die bis jetzt nicht verhaltensauffällig waren in dieser Angelegenheit, heften sich jetzt Klimaschutz auf ihre Fahnen. Und ich fühle mich bestätigt, wie ich neulich sagte, jeder kann dazulernen. Auch ich.

Nur, es geht um mehr.

Nicht nur, dass wir diese Nachrichten registrieren und registrieren, was alles passiert. Wir müssen schon selber auch mitarbeiten, dass wir nicht nur die Nachrichten hören, sondern, dass wir selber Teil der Nachrichten werden.

Aktiv mitarbeiten an den Lösungen, die hier noch anstehen.

Und dazu gehören etwa auch Sie, sehr geehrte Vertreter der Banken.

Auch Sie sind gefordert, ja. Dass Sie sich in erster Linie – nicht nur – aber in erster Linie um die Finanzierung nachhaltiger Projekte und Unternehmen kümmern.

Es wird der eine oder andere Vertreter der Energiewirtschaft hier sitzen. Dasselbe, bitte!

Technologievertreter und Vertreterinnen von Technologiekonzernen, denken Sie darüber nach, ob neue Lösungsmöglichkeiten denkbar sind! Vieles von dem wissen wir noch gar nicht, was in zehn Jahren sein wird.

 

Gestern hatte ich das Vergnügen, Werner Lampert zu ehren. Ein Pionier der Biolebensmittel.

Landwirtschaft, Industrie, Handel, Bauern, alle sind gefragt, hier ihre Verhaltensweisen und Produktionsbedingungen zu ändern.

 

Und es liegt auch an uns, den Konsumentinnen und Konsumenten, hier Druck auszuüben.

Wenn wir so weiterleben wollen, dann werden wir so nicht weitermachen können.

Wir werden das Schlimmste nicht mehr erleben. Aber unsere Kinder und Kindeskinder.

Abschließend will ich noch einen Appell an Sie richten, der auch in diesem Zusammenhang steht. Der Einzelne kann hier gar nichts ausrichten. Auch das einzelne Land kann gar nichts ausrichten. Aber viele zusammen, die Gemeinschaft insgesamt, wird und kann etwas ausrichten. Das betrifft natürlich auch die Europäische Union.

Trotz aller Kritik im Detail wird man nicht bestreiten können, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten gut und nützlich war und vor allem für die europäischen Kleinstaaten unverzichtbar.

Wenn wir die Union nicht hätten, müssten wir sie erfinden.

Ich werde jetzt nicht wiederholen, welche großen politischen Fragen alle vom Kleinstaat allein nicht lösbar sind, wohl aber auf europäischer Ebene. Das betrifft auch die Klimaveränderung und den Klimaschutz und die dafür notwendigen Maßnahmen. Wenn wir uns in Europa nicht zusammenfinden im Rahmen der Europäischen Union und wenn die Nationalisten die Mehrheit gewinnen, dann wird jeder einzelne europäische Kleinstaat ein Spielball der größeren Weltmächte sein - und bleiben. Und insofern bewirken die europäischen Nationalisten genau das Gegenteil von dem, was sie behaupten, erreichen zu wollen – genau das Gegenteil.

Das war mir wichtig noch zu thematisieren.

Der rote Faden dieser Salzburger Festspiele ist der Mythos, die griechischen Mythen. Die Salzburger Festspiele sind ja auch schon zu einer Art Mythos geworden.

Jetzt hören wir Orpheus und Medea, Ödipus, Salome – fehlt vielleicht noch Helga (Rabl-Stadler) und Markus (Hinterhäuser).

 

Meine Damen und Herren,

ich komme zum wichtigsten Teil meiner Rede, Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit zu danken und zu erklären:

Die Salzburger Festspiele 2019 sind eröffnet!

Eröffnung der 99. Salzburger Festspiele 27. Juli 2019
Eröffnung der 99. Salzburger Festspiele 27. Juli 2019

Fotos: Peter Lechner/HBF