Requiem für Karel Schwarzenberg im Wiener Stephandsdom 16. Dezember 2023

»Der Abschied von Karel Schwarzenberg fällt uns sehr schwer. Er hinterlässt eine große Lücke und wird uns allen sehr fehlen.«

Requiem im Wiener Stephansdom: Van der Bellen würdigte Karel Schwarzenberg als »großes Vorbild«, »außergewöhnlichen Politiker« und Staatsmann.

Eminenz,
geschätzte Trauergemeinde,
liebe Familie Schwarzenberg,
und ganz besonders: sehr verehrte Frau Dr. Schwarzenberg,

Wir trauern heute, hier im Wiener Stephansdom um Ihren Ehemann, Vater, Bruder, und Onkel. Wir trauern um das Familienoberhaupt der Familie Schwarzenberg: Fürst Karl, Karel Schwarzenberg.

Wir trauern um den Staatsmann Karel Schwarzenberg. Um den Europäer Schwarzenberg.

Ich möchte Ihnen im Namen der Republik Österreich und auch ganz persönlich mein aufrichtiges und tiefes Beileid aussprechen.

Der Abschied von Karel Schwarzenberg fällt uns sehr schwer. Er hinterlässt eine große Lücke und wird uns allen sehr fehlen. Denn Karel Schwarzenberg war einer jener Menschen, der sein ganzes Leben immer präsent war. Und der immer beigetragen hat. Und das bis zuletzt. Ein Kosmopolit in der besten und schönsten Form. Vielsprachig. Gebildet. Großzügig. Offen und neugierig. Weitblickend und vielschichtig.

Sich selbst einordnen zu lassen, war ihm zuwider.

Wer die Person Karel Schwarzenberg zu fassen sucht, läuft Gefahr, sich in Widersprüche zu verstricken.

War er liberal oder konservativ? War er Tscheche? Schweizer? Österreicher? Europäer?

Er war alles. Alles.

Die Geschichte Europas spiegelt sich in der Geschichte von Karel Schwarzenberg.

Seine Wurzeln hatte er in Europa. Und nicht in einem Land. Nein, in vielen.

Und damit repräsentiert er heute viele Menschen, die ihre Wurzeln in verschiedenen Ländern haben. Das mehrsprachige Europa. Das vielschichtige Europa. Ein Europa, das durch ihn ein Gesicht und eine Zukunft bekommen hat. Er habe, so meinte er einmal, „mehrere Patriotismen“. Vor allem aber war er ein Patriot der Aufrichtigkeit.

Er war ein überzeugter Demokrat. Und ein glühender Europäer und das früher als viele andere.

Ein EU-Europäer aus der Friedensbotschaft heraus, die niemand so stark formulieren konnte als jemand mit seiner Familiengeschichte und seinem Weitblick.

Er wirkte mit am intellektuellen Wiederaufbau nach 1945 in Österreich durch Kontakte zu Künstlern, Politikern und Intellektuellen mit: wie Torberg, Qualtinger, der Wiener Gruppe, Josef Klaus, Bruno Kreisky und anderen.

Dabei suchte Schwarzenberg immer das Gespräch mit der anderen Seite, ließ vermeintlich unüberwindbare Dogmen hinter sich und engagierte sich.

Es war ihm wichtig Gegensätzliches und scheinbar Unüberwindbares unter einen Hut zu bringen.

Alle männlichen Mitglieder der Familie Schwarzenberg - Das habe ich mit Interesse gelesen - führen in ihrem Namen den Heiligen „Johannes Nepomuk“. Den Namen des Brückenheiligen und Patron des Beichtgeheimnisses.  

Der Legende nach weigerte sich Johannes Nepomuk dem König gegenüber ein Beichtgeheimnis preiszugeben und wurde von der Karlsbrücke gestoßen und in der Moldau ertränkt.

Karel Schwarzenberg war ebenso wie sein Namenspatron unbeugsam. Und von größtem Gerechtigkeitssinn erfüllt. Und er war gleichzeitig Brückenbauer.

Brückenbauer zwischen Österreich und Tschechien. Brückenbauer für die Aussöhnung zwischen Tschechen und Deutschen. Und er hat sich immer bemüht neue Brücken in ganz Europa zu sehen und zu bauen. Brücken zwischen Tradition und Offenheit für das Neue. Ohne Vorurteile.

Er hat immer die Freiheit der Meinungsäußerung eingefordert und selbst in stets kluger Weise gelebt und diese mit dem Einsatz eigener Mittel wie bei der Gründung von Trend und Profil unterstützt.

Dabei war ihm das Aufbrechen der alten Medienstruktur wichtig, Offenheit und Neugier, in höchstem Maße wichtig.

Er suchte lieber den Austausch von Argumenten als rasche, einfache Antworten. Nicht nur deshalb war ihm Populismus jeder Art zuwider und fremd.

Meine Damen und Herren,

1948 musste die Familie Schwarzenberg nach der Machtübernahme der Kommunisten die Tschechoslowakei in Richtung Österreich verlassen.  Karel unterstützte frühzeitig den Widerstand gegen die kommunistische Regierung, er engagierte sich für seine Prager Freunde im Untergrund, was ihm vom deutschen Liedermacher und Dichter Wolf Biermann den Spitznamen "Genosse Fürst" einbrachte.

Die österreichische Helsinki-Gruppe, ein wichtiges Instrument der Dissidenten im damaligen Ostblock, war bald eng mit dem Namen Karel Schwarzenberg verbunden. Er wurde schließlich zum Präsidenten der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte berufen. Auf Schloss Schwarzenberg in Scheinfeld richtete er 1986, noch vor der Implosion der Sowjetunion, ein Dokumentationszentrum für unabhängige tschechoslowakische Literatur, die so genannte „Samisdat-Literatur“ ein und knüpfte Kontakte zu den Vertretern der Charta 77.

Aus dieser Zeit rührt auch seine Freundschaft und Verbundenheit mit dem späteren Präsidenten Vaclav Havel her, als dessen Büroleiter mit dem Titel „Kanzler“ er nach der Samtenen Revolution in die Prager Burg eingezogen ist.

Ein logischer und konsequenter Schritt eines Mannes, der immer wusste Verantwortung zu übernehmen. Und der bereit und fähig dazu war, sich den Aufgaben zu stellen, die auf ihn zukamen.

Denn wenn Karel Schwarzenberg überzeugt war, das Richtige zu tun, dann tat er es.

Er diente - neben anderen politischen Funktionen - mehrfach als tschechischer Außenminister, als stellvertretender Premierminister, als Senator, als Parlamentarier, und er kandidierte bei der ersten direkten Präsidentschaftswahl.

Karel Schwarzenberg stellte den Idealtypus eines Staatsmannes dar. Er war jemand der seine Verantwortung gesehen hat. Er wusste was zu tun ist. War unbestechlich. Er hat sich zur Verfügung gestellt für das Große und Ganze.

Und: Er hätte niemals müssen. Aber er musste immer. Er konnte nicht anders.

Er war ein Citoyen im besten Sinne. Jemand, der sich dem Gemeinwesen verpflichtet sieht, stets engagiert, aber nicht um der eigenen Karriere und Vorteile willen, sondern um einer Idee zu dienen.

Diese Selbstverständlichkeit, etwas Größerem zu dienen ist vielleicht auch ein wenig seiner Herkunft geschuldet, die von Staatsmännern geprägt war, denen er um nichts nachstand.

Karel Schwarzenberg hatte etwas zu sagen und die Spuren, die er hinterlässt sind tief.

Ein Mann vor dem ganz Europa Respekt hat, der trotz seines aristokratischen Hintergrunds immer nahbar und menschlich blieb. Der in Schlössern genauso zu Hause war, wie im Kaffee- und im Wirtshaus.

Dem die Fähigkeit und Gabe der Selbstironie geschenkt war, augenzwinkernd das eigene Handeln reflektieren zu können.

Ein Mann des glasklaren Verstandes, der tiefen Analyse, dessen Einschätzungen fest und sorgfältig durchdacht waren.

Einer, der immer mit jenen den Kontakt und Austausch suchte, die nicht seiner Meinung waren.

Der Menschen aller Generationen und Meinungen versammelte und gemeinsam nach Lösungen für eine gute Zukunft suchte.

Der die richtigen Fragen stellte. Und sich mit seinen Antworten Gehör verschaffte.

Einer, der Politik so verstand, wie man sich das von Menschen in gewählten Funktionen heute nur wünschen kann.

Karel Schwarzenberg wird uns immer ein großes Vorbild sein. Einer, der das Wohl aller vor den persönlichen Vorteil gestellt hat.

Den Frieden, das Europäische vor das nationale Interesse.

Jemand aus der sogenannten Elite, der sich persönlich engagiert und für seine Ideale gekämpft hat. Einer, der die Komfortzone verlassen hat und so zum Vorbild für uns alle geworden ist.

Ich verneige mich in tiefem Respekt vor dem großen Staatsmann, dem großen Europäer.

Ich verneige mich vor dem außergewöhnlichen Politiker, dem Citoyen und unabhängigen Denker.

Und ich verneige mich vor einer zentralen Persönlichkeit europäischer Geschichte aus dem Hause Schwarzenberg.

 

Lieber Karel Schwarzenberg,

danke für alles, was Sie für uns getan haben. Wir werden Sie mit großem Respekt in Erinnerung behalten.

Und sie werden fehlen.

Requiem für Karel Schwarzenberg im Wiener Stephandsdom 16. Dezember 2023
Requiem für Karel Schwarzenberg im Wiener Stephandsdom 16. Dezember 2023

Fotos: Peter Lechner/HBF