Bundespräsident erinnert alle Religionsgemeinschaften an Verantwortung

Erstes Treffen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit allen Vertretern der anerkannten Religionsgemeinschaften in der Hofburg.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat erstmals die Vertreter der in Österreich gesetzlich anerkannten Kirchen gemeinsam empfangen. Bei der traditionellen Zusammenkunft in der Hofburg erinnerte er die Geistlichen an deren gesellschaftliche Verantwortung. Kardinal Christoph Schönborn meinte: "Wir dürfen als Religionsgemeinschaften nicht wehleidig sein, wenn wir kritisiert werden."

Zwar seien Religionsgesellschaften dem pauschalen Vorwurf der Rückständigkeit ausgesetzt, zudem wüssten viele Menschen mit Transzendenz "nichts oder nichts mehr anzufangen", sagte das Staatsoberhaupt bei dem Empfang in der Hofburg, dem er erstmals seit seiner Wahl gab. "Aber die Wissenschaft hat ihre Grenzen und es wird bei allem Fortschritt wohl immer Bereiche der menschlichen Existenz geben, in denen die Wissenschaft nicht weiterhilft."

Für Alexander Van der Bellen leisten die Religionen einen wertvollen Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft und Bewusstseinsbildung, etwa durch Kapitalismus-Kritik und den Einsatz für den Umweltschutz. "Mit Recht nehmen die gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften für sich auch in Anspruch, ihre Meinung zu politisch kontroversiellen Fragen öffentlich zu äußern", nannte  Bundespräsident Van der Bellen Themen wie Sterbehilfe, Abtreibung, Homosexualität und Familienrecht.

Der Bundespräsident stellte aber klar, dass die staatliche Rechtsordnung immer Vorrang gegenüber den Vorstellungen der Religionsgesellschaften habe. Die Religionsgemeinschaften verfügten zudem "über eine sehr scharfe Waffe, nämlich die Einflussnahme auf das Gewissen ihrer Gläubigen". Dieses Instrument müsse "verantwortungsvoll und im Sinne unserer demokratischen Rechtsordnung" genützt werden, mahnte Van der Bellen.

Kardinal Schönborn griff die Worte des Bundespräsidenten gerne auf. "Die Religionsgemeinschaften müssen lernen, sich manchmal auch etwas sagen zu lassen von der Zivilgesellschaft", sagte er in Richtung aller eingeladenen Vertreter in der Hofburg. Alexander Van der Bellen habe alle erinnert, den Weg des Gemeinsamen nicht zu verlassen. Der derzeitige Zustand des Miteinander und die Beachtung der Grundwerte sei nicht immer selbstverständlich gewesen.

Schönborn ging auch auf die Diskussion über einen allgemein verbindlichen Ethikunterricht an den Schulen ein. Es sei nicht primäre Aufgabe des Staates, Ethos zu vermitteln, meinte er und sprach sich erneut für ein solches Fach als Alternative zum Religionsunterricht aus. Dennoch zeigte der Kardinal Verständnis für das organisatorische Problem an manchen Schulen, eine Vielzahl von Religionen unterrichten zu müssen.

Auch auf das Reformationsjubiläum ging Schönborn - in Anwesenheit der evangelischen Kirchenspitzen - ein. Lange habe es gebraucht, gegenseitige Toleranz zu entwickeln. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen habe man schließlich aber doch den Weg der Ökumene gefunden. Und auch an die Kernaufgabe aller Kirchen und Glaubensgemeinschaften erinnerte der Wiener Erzbischof: Menschen in Not zu helfen.

APA/PRK