Bundestagung der Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen in der Hofburg.

»Unsere Gesellschaft funktioniert nur, wenn Männer und Frauen gleichermaßen mitbestimmen«

Rede von Alexander Van der Bellen bei der Bundestagung für Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen in der Hofburg.

Liebe Bürgermeisterinnen,

liebe Vizebürgermeisterinnen,

sehr geehrter Herr Präsident des Gemeindebundes, Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren!

Schön, dass Sie alle hier sind.

Beim Lesen des Programms ist mir aufgefallen: Ein Treffen der Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen – und die Begrüßungsreden halten drei Männer und eine einzige Frau. 25 Prozent. Damit ist die Quote der Frauen, die heute Reden halten, immer noch höher als jene der Ortscheffinnen in Österreich. Die liegt derzeit bei knapp 11 Prozent. Verglichen mit den Jahren und Jahrzehnten zuvor ist das ein Höchststand. Es geht also bergauf. Das ist gut!

Von Fifty/Fifty sind wir aber noch ganz weit weg. Von Gleichstellung sind wir noch ganz weit weg.

Und das betrifft mehr oder weniger alle Lebensbereiche: Frauen bekommen weniger bezahlt. Frauen sind mehr von Altersarmut betroffen. Frauen leisten mehr Sorgearbeit in ihren Familien. Und so weiter. Diese Liste ist lang.

Und Frauen müssen mehr Hürden überwinden, wenn sie ganz an die Spitze kommen wollen. Ob das eine Führungsrolle in einem Unternehmen ist oder in einer Gemeinde. Dabei brauchen wir mehr Frauen, die mitreden – in Wirtschaft, Kultur, Bildung oder Gesundheit. Ganz dringend!

Denn unsere Gesellschaft funktioniert nur, wenn Männer und Frauen gleichermaßen mitbestimmen.

Können Sie sich noch erinnern, was Justin Trudeaus Antwort auf die Frage war, warum er ein Kabinett zusammengestellt hatte, das aus gleich viel Frauen wie Männern bestand? Er sagte: „Because it’s 2015!“

Nun ja – fast zehn Jahre später, und wir sind in den allermeisten Bereichen immer noch weit entfernt von einer solchen 50/50 Quote.

Das bedeutet: Es gibt noch viel zu tun. Für uns alle. Die Rechte von Frauen, die Chancengleichheit von Frauen, das sind keine Frauenthemen.

Das ist auch nicht mit einem großen Kampftag im Jahr erledigt.

Wir müssen uns jeden Tag Seite an Seite für gleiche Chancen einsetzen, dafür kämpfen.

Bei der Veranstaltung am Frauentag vor kurzem habe ich ein Beispiel gebracht – von Julian und Julia. Es ging dabei darum, welche ganz unterschiedlichen Sätze die beiden als Teenager hören, wenn sie am Abend weggehen. Nur so viel: Es gibt ein deutliches Ungleichgewicht. Dass Julian und Julia ganz anders behandelt und gefördert werden, zieht sich durchs ganze Leben:

Es ist eher Julian als Julia, der ermutigt wird, Techniker zu werden. Und voilà: Mädchen unterschätzen ihre Computer-Fähigkeiten deutlich stärker als Burschen.
Wir müssen uns daher bemühen, Mädchen und Burschen dieselben Türen zu öffnen. Einige dieser Türen führen vielleicht ja in den Gemeinderat, zum Büro der Vizebürgermeisterin oder zum Bürgermeisterinnen-Amt.

 

Liebe Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen,

es ist mir wichtig, Ihnen eines noch mitzugeben: Ein großes Dankeschön für alles, was Sie in Ihren Gemeinden leisten.

Ich bin viel unterwegs und sehe, mit wie viel Kompetenz, mit wie viel Herzblut Sie sich für die Menschen engagieren. Sie hören zu, Sie schauen hin – und Sie geben immer Ihr Bestes. Das ist im „Daily Business“ eine aufreibende und herausfordernde Aufgabe. Und Sie meistern diese grandios.

Vielen Dank!

Bundestagung der Bürgermeisterinnen und  Vizebürgermeisterinnen 12. April 2024
Bundestagung der Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen 12. April 2024

Fotos: Peter Lechner/HBF