Der Bundespräsident eröffnet das Brucknerfest in Linz

»Der russische Angriffskrieg in der Ukraine geht uns alle etwas an«

Die Rede des Bundespräsidenten zur Eröffnung des Brucknerfestes 2022.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident a.D. Fischer,
sehr geehrter Herr Landeshauptmann Stelzer,
sehr geehrte Frau Zweite Präsidentin des Nationalrates Bures,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Luger,
geschätzte Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften,
sehr geehrte Frau Kulturstadträtin Lang-Mayerhofer,
sehr geehrter Herr Ziegler,
sehr geehrte Damen und Herren,
 

Wir feiern heuer ein ganz besonderes Brucknerfest. Nicht etwa eines Jubiläums wegen – sondern ganz einfach deswegen, weil Feiern in Tagen wie diesen etwas Besonderes ist. Und etwas Notwendiges.

Denn Feiern bedeutet ja nicht, dass wir dem Alltag und den damit verbundenen Sorgen entfliehen, sondern dass wir Kraft tanken, um uns großen Herausforderungen unserer Zeit zu stellen.

Und oft hilft uns die Kunst, neue Wege zu gehen, neue Lösungsansätze zu finden, jedenfalls aber: neuen Mut zu schöpfen.

Das wussten Menschen wie Anton Bruckner sehr genau. Und dieser Sichtweise ist das Brucknerfest verpflichtet. Und das ist der Grund, weswegen wir heute hier sind.

Denn diesen Mut, diese Zuversicht, ich glaube die können wir alle gut gebrauchen.

Wenn wir die Zeitungen lesen, wenn wir auf unseren Timelines auf Twitter, Instagram oder TikTok herunterscrollen, wenn wir die Nachrichten schauen - unsere Sorgen scheinen stetig zu wachsen.

Die Auswirkungen der Klimakrise in Österreich, in Europa und auf der ganzen Welt – sie sind spürbarer als je zuvor. Wir sehen uns nach wie vor mit den Folgen einer Pandemie konfrontiert.

Und es ist das Unvorstellbare eingetreten wir haben wieder einen Krieg mitten in Europa, der enormes Leid bei den Ukrainerinnen und Ukrainern verursacht. Als direkte Folge dieses Krieges, erleben wir eine massive Teuerung. Mehr und mehr Menschen haben Schwierigkeiten sich die Miete, Lebensmittel, Benzin, und die Stromkosten zu leisten. All das ist unsere Realität.

Aber erinnern wir uns, wie es dazu kommen konnte.

All das ist auf einen Mann zurückzuführen, der es nicht ausstehen kann, dass wir in Unabhängigkeit und Freiheit leben möchten.

Doch diese Werte – Unabhängigkeit und Freiheit – sind das Grundgefüge unserer Demokratien. Unsere Lebensweise.

Ich bekomme zahlreiche Briefe und lese Kommentare, in denen Menschen ihren Unmut äußern:

Warum sollen wir im Winter frieren, wegen eines Krieges, der uns nichts angeht?

Wir möchten es vielleicht nicht wahrhaben, aber dieser Krieg geht uns etwas an.

Weil er ein Angriff auf unsere Lebensweise ist. Unsere Demokratie. Unsere Identität. Und unsere Zukunft. Putins Regime wirft Bomben und zerstört damit Menschenleben.

Und es wird jeder Kubikmeter Gas, der durch die Pipeline fließt oder nicht, genutzt, um uns zu spalten, damit wir unsere Solidarität aufgeben. Bisher erfolglos.

Als Antwort auf diesen brutalen Angriffskrieg,  hat Europa geeint harte Sanktionen gegen Russland erlassen.

All jene, die denken, dass wir uns mit Russland auf einen Deal einlassen sollten, dass wir die brutalen Angriffe ignorieren können, dass wir die Sanktionen aufheben sollten, und dass wir in erster Linie auf uns selber schauen müssen, die frage ich:

Wie lange wird so ein Deal mit Russland halten? Einen Winter? Vielleicht bis zum nächsten Winter? Und was dann?

Die bittere Wahrheit ist: Wir haben uns selbst in diese gefährliche Abhängigkeit hineinmanövriert. Jeder Kubikmeter russisches Gas verstärkt diese Abhängigkeit. Jeder Kubikmeter russisches Gas gefährdet unsere Freiheit, unsere Demokratie, unsere Lebensweise.

Wir müssen daher raus aus dieser Abhängigkeit. In dem wir in erneuerbare Energien investieren. In dem wir einander unterstützen. In dem wir unsere Energie einsparen.

Das ist nicht einfach und erfordert harte Arbeit. Wir haben irgendwie vergessen, dass Unabhängigkeit, Freiheit und Frieden keine Selbstverständlichkeiten sind. Wir müssen sie hart erarbeiten und verteidigen.

Und es liegt an uns allen, einen Beitrag zu leisten.

Politikerinnen und Politiker müssen ihren Job machen.  Das erwarten wir zu Recht von ihnen.

Aber wir alle können einen Beitrag leisten. wir alle wissen, was zu tun ist. Wir müssen „nur“ in die Gänge kommen und es auch tun: Wir müssen fit für die Zukunft werden.

Sodass unser Planet, unsere Werte und unsere Art zu leben überhaupt eine Zukunft haben.

Wir müssen aufhören, immer nur nach dem schnellsten und dem größten Gewinn zu trachten. Ohne einem Blick nach links oder nach rechts, das schnelle Geld machen zu wollen.

Wir müssen weiter denken, wir müssen auf unseren Planeten, auf unsere Demokratie und auf unsere Zukunft achten. Und wir müssen in sie investieren.

Es ist unsere Verantwortung sicherzustellen, dass unsere Zukunft eine friedliche, freie und lebenswerte ist. Auch wenn das bedeutet, dass wir uns im Hier und Jetzt vielleicht manchmal ein bisschen einschränken müssen.

Also wenn Sie heute das Brucknerfest verlassen, und nach Hause zurückkehren, bitte fragen Sie sich:

Was ist es mir wert heute aufzugeben, damit meine Kinder und Enkelkinder eine unabhängige, freie und friedliche Zukunft vor sich haben?  Wie viel ist genug?

Sie sehen, es gibt einiges zu tun. Und wir alle können etwas tun. Jede und jeder in seinem Wirkungsbereich.

Wenn wir alle zusammenhelfen, und gut aufeinander schauen, dann bin ich voller Zuversicht, dass wir das schaffen.

Und in diesem Sinne: Schöpfen Sie viel Freude und viel Mut beim Brucknerfest. Um mit neuer Kraft die großen Aufgaben unserer Zeit zu meistern.

Vielen Dank!

Eröffnung des Brucknerfestes 10. September 2022
Eröffnung des Brucknerfestes 10. September 2022

Fotos: Peter Lechner/HBF