Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird vom ukrainischen Vize-Außenminister Yevhen Perebyinis am Bahnhof in Kyjiw begrüßt

Bundespräsident in der Ukraine: »Wir stehen euch zur Seite«

Im Vorfeld des EU-Ukraine Gipfels (3. Februar 2023) reist Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach Kyjiw und trifft dort den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelensky. Die Minister:innen Leonore Gewessler und Martin Kocher und österreichische Hilfsorganisationen begleiten ihn.

„Ich habe bei meiner Angelobung klar gesagt, dass ich auch in den kommenden sechs Jahren sehr genau hinsehen werde, wenn es um den Schutz der Demokratie und den Erhalt unserer europäischen Werte geht“, so Bundespräsident Van der Bellen: „In der Ukraine sind diese europäischen Werte und die Demokratie gerade buchstäblich unter Attacke. Als Zeichen der Solidarität und der fortgesetzten Unterstützung, führt mich diese Reise gleich zu Beginn meiner zweiten Amtszeit nach Kiew.“

Österreich ist militärisch neutral, aber nicht politisch. Einer langen humanitären Tradition folgend, unterstützt Österreich das angegriffene Land auf mehreren Ebenen. Der Bundespräsident wird sich im Rahmen seines Aufenthalts in Kyjiw österreichische Hilfsprojekte ansehen und dem ukrainischen Präsidenten weitere Unterstützung zusichern.

 

Neben den beiden Minister:innen Leonore Gewessler und Martin Kocher begleiten Van der Bellen (auch Schirmherr von NACHBAR IN NOT) zudem Caritas-Generalsekretär für internationale Programme Andreas Knapp, Rot Kreuz-Generalsekretär Michael Opriesnig und Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger, die die ukrainische Bevölkerung mit vielen Hilfsprojekten unterstützen. Darunter eine Schule in Butscha und eine Geburtsklinik in Kyjiw, die mit österreichischer Hilfe saniert wurden bzw. am Laufen gehalten werden.

Die österreichische Delegation reist auch mit konkreten Hilfen im Gepäck an, wie etwa dringend benötigten Generatoren oder Baumaterialien für den Bau von 200 Häusern, die Wienerberger zur Verfügung stellt.

Von Energie- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler werden zudem weitere 5 Mio. Euro für den „Ukraine Energy Support Fund“ zum Wiederaufbau beschädigter Energieinfrastruktur bereitgestellt. Insgesamt stellt Österreich damit 10 Millionen Euro für den Fund bereit: „Wir dürfen nicht zusehen, wie Putin den Winter als Waffe benutzt – und bei seinen brutalen Angriffen auf die Ukraine ganz gezielt versucht, die kritische Infrastruktur zu treffen. Millionen Menschen sind bei eisigen Temperaturen ohne Strom und oftmals ohne Heizung und Wasserversorgung. Es ist mir wichtig, dass Österreich hier einen Beitrag zur Unterstützung der ukrainischen Zivilbevölkerung leistet“, betont Gewessler.

Gewessler wird mit ihren ukrainischen Amtskollegen Ruslan Strilets (Umwelt) und Herman Haluschtschenko (Energie) vor Ort auch jeweils ein Memorandum auf Understanding unterschreiben – um die Zusammenarbeit im Bereich Umwelt bzw Energie zu intensivieren.

Ebenfalls in der Ukraine dabei ist Wirtschaftsminister Martin Kocher. Er hat im September 2022 gemeinsam mit der ukrainischen Wirtschaftsministerin und Vize-Premierministerin Julija Swyrydenko eine Rahmenvereinbarung unterzeichnet, die die Basis für die zukünftige wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Ukraine und speziell für die Beteiligung am Wiederaufbau bildet. Die Reise soll folglich auch dazu genutzt werden, um über weitere Möglichkeiten der Unterstützung der ukrainischen Wirtschaft zu sprechen: „Angesichts der kriegsbedingt dramatischen Lage vor Ort ist es uns ein Anliegen, die bilateralen Kontakte mit der Ukraine weiter intensiv aufrechtzuerhalten und sowohl humanitäre Unterstützung zu leisten als auch wirtschaftliche Beziehungen zu fördern. Auf Basis der Rahmenvereinbarung schaffen wir die notwendigen Voraussetzungen, damit Österreichs Wirtschaft schon jetzt und beim Wiederaufbau einen entscheidenden Beitrag leisten kann“, so Kocher. 

 „Wir unterstützen die ukrainische Bevölkerung mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen“, betont Van der Bellen: „Seit Kriegsbeginn wurden 119 Mio. Euro staatliche Hilfe zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus ist die Spendenbereitschaft der österreichischen Bevölkerung enorm. Alleine über die Spendenaktion von NACHBAR IN NOT kamen bisher 55 Mio. Euro zusammen.“ Der Bundespräsident und die österreichische Delegation werden sich vor Ort ein Bild davon machen, wie rasch und direkt die österreichische Hilfe im Kriegsgebiet ankommt.

Wenige Stunden vor seiner Abreise in die Ukraine, besuchte Bundespräsident Van der Bellen seine slowakische Amtskollegin Zuzana Čaputová. In Bratislava besprachen Van der Bellen und Čaputová die aktuelle Lage im Kriegsgebiet und die Vorbereitungen auf den EU-Ukraine Gipfel, der am 3. Februar in Kyjiw, am Tag nach Van der Bellens offiziellem Besuch ebendort, stattfindet.

Bundespräsident besuchte Gedenkstelle der Massaker von 2022 - Österreichische Hilfsorganisationen im Wiederaufbau und bei sozialen Einrichtungen aktiv 


Eine mit Blumen geschmückte und mit Stofftieren verzierte Grabstelle erinnert im Garten der Orthodoxen Kirche von Butscha an die Gräuel, die die 35.000-Einwohnerstadt in der Nähe von Kiew im Vorjahr erlebte. Bundespräsident Alexander Van der Bellen besuchte am Mittwoch zu Beginn seiner Reise in die von Russland angegriffene Ukraine den Ort, an dem im März des Vorjahres Massengräber mit Hunderten Leichen gefunden worden waren. Ein Ort des Grauens, aber auch der Hoffnung.

Butscha ist ein Symbol der Gräuel, die laut ukrainischen Angaben von russischen Soldaten im Zuge des Angriffskriegs begangen wurden. Im März kam es hier zu mehreren Massakern. Letztlich wurden die Leichen von 458 Menschen gefunden, von denen 419 Anzeichen dafür trugen, dass sie erschossen, gefoltert oder erschlagen worden waren.

Es sei wichtig, dass die Welt wisse, was hier geschehen sei, meint der orthodoxe Pater Andrii bei einem Rundgang am Rande der Stelle, wo sich die Massengräber neben der Kirche zum Heiligen Andreas und Allerheiligen befanden, zu Van der Bellen. Er zeigt auf ein rotes Haus. Dieses habe eine Familie gehört, die bereits vor Jahren aus der Donbass-Region hierher geflohen sei, um den dortigen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen russischen Separatisten und ukrainischen Verbänden zu entgehen.

Das Haus der Familie sei wie viele in der Stadt ausgeplündert und zerstört worden, erzählt der Pater. Die Leichen der Frau mit ihren Kindern fand man später im ausgebrannten Auto. In der Kirche werden in einer Ausstellung Fotos der Gräuel gezeigt. Bilder mit Leichen auf der Straße oder bereits in Plastiksäcke gehüllt.

Ein Video zeigt aber auch Bilder aus der Zukunft. Wie die Gedenkstätte rund um die Kirche einmal in Nachkriegszeiten einmal aussehen solle. Butscha ist gewissermaßen nämlich auch ein Ort der Hoffnung und des Durchhaltevermögens. Viele der zerstörten oder schwer beschädigten Häuser wurden bereits zumindest einigermaßen wieder instandgesetzt und repariert.

Dies geschah und geschieht auch mit österreichischen Hilfsgeldern, wie sich Van der Bellen am Mittwoch selbst überzeugen konnte. Im Bezirk Butscha unterstützt die Volkshilfe mit einem lokalen Partner Menschen bei Reparaturen in ihren Wohnungen und Häusern - etwa beim Austausch von Fenstern, Scheiben oder Türen sowie bei der Behebung von Schäden an Dächern und Wänden. Fast 700 Familien haben bisher diese Hilfe erhalten. Auch Schulen und Kindergärten können mit Hilfe rechnen. So wurden laut Volkshilfe für 3.000 Kinder bessere Rahmenbedingungen für den Unterricht geschaffen.


 


Van der Bellen besuchte die »Schule Nr. 3« von Butscha

Ihr Dach wurde mit österreichischer Hilfe komplett erneuert. 1.600 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen sechs und 17 Jahren besuchen die Institution, an der auch über 100 Lehrkräfte beschäftigt sind. Van der Bellen wurde bei seiner Solidaritätsreise nach Kiew aber auch von Vertretern des Roten Kreuzes, der Caritas und des Gemeindebundes begleitet, die in der Ukraine Hilfe leisten.

Das Österreichische Rote Kreuz unterstützt seine ukrainischen Kollegen in der allgemeinmedizinischen Betreuung etwa durch gespendete Rettungsfahrzeugen. Am Dienstag sollten dem Institut für Pädiatrie, Geburtshilfe und Gynäkologie in Kiew neben anderen Hilfsmitteln zwei weitere Generatoren übergeben werden, die mithelfen sollen, den Betrieb an der Frauen- und Kinderklinik am Laufen zu halten.

Rettungs-, Feuerwehr- oder Müllfahrzeuge hatte auch der Gemeindebund schon in der jüngeren Vergangenheit in die Ukraine geliefert. Er will der Ukraine auch mit Know-how zum Aufbau von gemeinnützigen Organisationen wie einer Freiwilligen Feuerwehr unter die Arme greifen.

Österreich könne der Ukraine wegen seiner Neutralität zwar nicht militärisch helfen, im gesundheitlich-sozialen und infrastrukturell-technischen Hilfsbereich gehöre Österreich aber zu den größten Gebern, hatte der Bundespräsident schon zu Beginn seiner Reise in die Ukraine betont, und dabei auch die Spendenbereitschaft der Zivilbevölkerung hervorgehoben. Schließlich gelte es ein Zeichen zu setzen: "Wir stehen euch zur Seite." (Von Edgar Schütz/APA aus Butscha)

Offizieller Besuch des Bundespräsidenten in der Ukraine 1. Februar 2023
Offizieller Besuch des Bundespräsidenten in der Ukraine 1. Februar 2023

Fotos: Peter Lechner/HBF