Maria-Thereien-Zimmer in der Präsidentschaftskanzlei

Maria Theresia: Eine Frau, die alles im Blick hat

Huldvoll schaut sie herab, von einem großen Ölgemälde. Interessiert beobachtet die Frau im Bild an der Wand das Geschehen im Raum, der nach ihr benannt ist: das Maria Theresien-Zimmer in der Präsidentschaftskanzlei. Wer war diese Majestät?

40 Jahre lang, von 1740 bis 1780, herrscht Maria Theresia über das große Reich ihrer Vorfahren. Es sind die Habsburger, jene mächtige europäische Dynastie, die noch bis 1918 die Geschicke Österreichs lenken sollte. Maria Theresia blieb die einzige weibliche Regentin in dieser mehr als 600 Jahre dauernden Zeit.

Einst war das Maria Theresien-Zimmer das Schlafgemach der Herrscherin. Die Arbeitsräume des Bundespräsidenten nutzte sie als Winterpalais. Hier war ihre Lebenswelt, das Zentrum ihrer Regierungsgeschäfte, Treffpunkt der Diplomatie und Aristokratie. Viele wichtige politische Entscheidungen des 18. Jahrhunderts wurden hier gefällt.

Heute werden im Maria Theresien-Zimmer neue Bundesregierungen ernannt und angelobt, internationale Gäste empfangen, Pressekonferenzen abgehalten, Besucher:innen vom Bundespräsidenten persönlich begrüßt.

Das Maria Theresien-Zimmer in der Präsidentschaftskanzlei
Das Maria Theresien-Zimmer in der Präsidentschaftskanzlei

Fotos: HBF/Peter Lechner, Carina Karlovits

Alexander Van der Bellen schüttelt Hände, diskutiert, steht für Selfies zur Verfügung. Menschen aller Altersgruppen bestaunen den Raum, in dessen Mitte damals das prunkvolle Ehebett des Herrscherpaares stand, mit einem dunkelroten Samtbaldachin.

Geboren wird Maria Theresia am 13. Mai 1717.  Ihr Vater, Karl VI.  findet sie als Kind zwar „lieb“ und „herzig“, erfreut sich an der Existenz seiner ältesten Tochter. Die kleine Erzherzogin gilt als freundlich, höflich, lernbereit, interessiert. Aber die Situation ist trotzdem sehr unerquicklich für Karl. Keine noch so talentierte Tochter kann den ersehnten Thronerben ersetzen. Nur drei Töchter – wie deprimierend für die Zukunft der Dynastie.

Der Kaiser stirbt überraschend am 20. Oktober 1740, und die befürchtete Situation tritt schlagartig ein: Es ist kein männlicher Thronfolger da. Maria Theresia ist die Erbin, verheiratet seit vier Jahren mit Franz Stephan von Lothringen.

Am Wiener Hof flüstert man bang: Kann die junge Frau das überhaupt, das Regieren?
Ja, sie konnte es. Mit Erfolg, wie die Geschichte zeigt. In den Machtzentren Europas hält man die junge Regentin für schwach und unerfahren, ihr Reich für eine leichte Beute. Ein Irrtum!

Sie beginnt energisch zu regieren, gibt nicht klein bei. Sie wehrt sich gegen Versuche, ihr das Erbe auf militärischem Weg zu entreißen. Es kommt zu mehreren Kriegen mit halb Europa, doch letztlich werden Friedensverträge unterschrieben und Maria Theresia verliert „nur“ das wertvolle Schlesien.

Sie hat sich weitgehend durchgesetzt. Sie hat ihr Erbe verteidigt, ist ein gewichtiger Faktor im Spiel der Mächte geworden.

Rasch beginnt sie, ihr Reich umzugestalten: eine effizientere Verwaltung muss her, moderne Rechts- und Verwaltungsstrukturen. Wissenschaft, Forschung, Medizin verlangen nach Erneuerung. Maria Theresia gründet die Militärakademie in Wiener Neustadt, und eine Akademie für orientalische Sprachen. Sie holt fortschrittliche Geister nach Wien, kurbelt die Wirtschaft an. 1775 führt sie die Schulpflicht ein. Die Folter wird abgeschafft...  

Maria Theresia regiert mit viel Energie, und mit Feingefühl. Es liegt ihr nicht, Traditionen plötzlich lächerlich zu machen, oder Überkommenes einfach zu zerstören. Sie versucht eher, die vielen Interessen und Mentalitäten in ihrem großen Reich unter einen Hut zu bringen. Sie tut das mit einem austarierten System von Geben und Nehmen, Härte und Herzlichkeit, beinhartem Kalkül und natürlicher Spontanität. Sie zeigt aber auch konsequente Intoleranz. Religionsfreiheit? Kommt nicht in Frage! Allein im katholischen Glauben liege das Heil, so ihre feste Überzeugung.

Die letzten 15 Jahre ihres Lebens sind geprägt von Streitereien mit ihrem ältesten Sohn Joseph, dem Thronfolger und seit dem Tod seines Vaters 1765 Mitregent: Generationenkonflikte, Reibereien, Enttäuschungen, gegenseitige Bosheiten.  

Maria Theresia stirbt an einem grauen Novembertag des Jahres 1780. Sie ist 63 Jahre alt, schwerfällig, krank, ausgelaugt von strapaziösen 40 Jahren Regentschaft und 16 Kindern. Aber immer noch befehlsgewohnt und rastlos. Bestattet wird sie in der Kapuzinergruft im Zentrum von Wien, neben Franz Stephan von Lothringen. Es gibt viele lobende Nachrufe in Europa.

Auch heute, im 21. Jahrhundert, wird Maria Theresia Respekt gezollt, zuletzt 2017, anlässlich ihres 300. Geburtstages. Sogar Feminist:innen, die sich lange Zeit nicht für die korpulente Regentin mit den vielen Kindern interessiert hatten, fühlten sich inspiriert von ihr beim Thema „Frauen & Macht“.

Maria Theresia ist immer noch eine faszinierende Persönlichkeit, die das österreichische Staatsoberhaupt jeden Tag still begleitet. Die Frau im Bild an der Wand hat alles im Blick.