Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Eröffnung der Salzburger Festspiel 2021

»Wir wissen, dass wir handeln müssen«

Alexander Van der Bellen eröffnete mit mahnenden Worten die Salzburger Festspiele 2021.

Sehr geehrte Frau Präsidentin Zuzana Čaputová,

werte Ehren- und Festgäste,

meine Damen und Herren!

 

Schön, Sie wieder alle zu sehen. Schön, dass wir gemeinsam die Eröffnung der Salzburger Festspiele 2021 begehen können. 

Ich möchte gleich zu Beginn den Verantwortlichen und Mitwirkenden der Festspiele danken. Sie leisten Großartiges, Sie verleihen unserem Land einen kulturellen Glanz, der seinesgleichen sucht. Danke!

 

Meine Damen und Herren!

Die Oper „Don Giovanni“, die morgen Premiere hat, endet auf den ersten Blick ein wenig trivial. Wolfgang Amadeus in Hollywood, könnte man karikierend sagen. Auf den zweiten Blick – und vor allem aus heutiger, aus aktueller Sicht – ist das Opernende keineswegs trivial. Also: nach der Höllenfahrt der lasterhaften Hauptfigur unterhalten sich die verbliebenen Geschädigten darüber,  was sie denn nun machen werden. 

Leporello etwa, Don Giovannis Diener, der schon früh in der Oper gesagt hat nicht länger dienen zu wollen, meint am Ende, dass er jetzt einmal einen neuen Herrn suchen gehe. Und auch die anderen Figuren,  alle sind heilfroh,  dass der Schrecken vorüber ist,  und sie nun zur Normalität zurückkehren können – als wäre nichts geschehen….

Das kennen wir doch irgendwie? Das kommt uns doch bekannt vor?

Ja, wir können uns zurecht freuen, dass Vieles von dem, was zu unserem Alltag und unserem Leben gehört hat  und was wir anderthalb Jahre vermisst haben, nunmehr nahezu zurück ist. Wir genießen es, einander wieder begegnen zu können, wir freuen uns darauf, unser engstes Umfeld wieder verlassen  und Neues entdecken zu können. Wir sind glücklich, wieder aus einem reichen und faszinierenden Kunst- und Kulturangebot auswählen zu können. Auch wenn wir immer noch große Vorsicht walten lassen müssen. Aber gleichzeitig spüren wir doch, was die Rückkehr zum Status quo ante bedeuten würde: Die Rückkehr zu einem Leben, das in mehr und mehr Bereichen alles andere als „normal“ gewesen ist.

Ökologie, Wirtschaft und soziale Verantwortung gegeneinander auszuspielen  oder Maßnahmen gegen die Klimakrise weiterhin nur zögerlich in Angriff zu nehmen, ist nicht normal, es ist fahrlässig; Das Zeitalter des Menschen, ist drauf und dran,  die kürzeste Epoche der Erdgeschichte zu werden, wenn wir weiter mit aller Kraft daran arbeiten, unsere eigenen Lebensgrundlagen zu vernichten. Tagtäglich sind wir mittlerweile mit den Auswirkungen unseres Handelns konfrontiert. Wir sehen sie, wir erleben sie, und wir spüren sie: Die heftigen und manchmal auch tödlichen Unwetter, die brütende Hitze in Kanada. Die Überflutungen in keineswegs tropischen Gebieten, und anderenorts den Wassermangel, mit ausgetrockneten Böden. Und das alles hier und jetzt bei uns.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn wir ganz ehrlich mit uns selber sind,  wissen wir, dass es so einfach nicht weitergehen kann.

Und wir wissen, dass wir handeln müssen.

 

Meine Damen und Herren,

Sie fragen sich vielleicht, ob ich nun plötzlich zum Klimaforscher geworden bin. Überhaupt nicht. Aber in meinem früheren Leben war ich Ökonom, zuletzt an der Uni Wien. Und Anfang der 80er Jahre wurde ich aufmerksam,  dass es interessante neue Forschungsgebiete gibt: Enviromental Economics,  und als Spezialgebiet davon Economics of Climate Change. Nordhaus gewann etwa 2018 den Nobelpreis „for integrating Climate Change into longrun macroeconomic analysis“. Und Nicholas Stern meinte schon 2006: „Die Klimakrise ist das größte Marktversagen aller Zeiten.“ 15 Jahre später könnte man pessimistisch sagen, ein „Staatsversagen“ erster Ordnung hat sich herausgestellt, in Form von Untätigkeit.

Warum bin ich trotzdem optimistisch, dass es nicht zu einem multiplen Organversagen kommen wird? Vor allem aus drei Gründen:

1. Die jungen Leute sind aufgewacht. Es geht um ihre Zukunft.

2. Die Wirtschaft selbst ist aufgewacht.

3. Die Europäische Kommission, last but not least unterstützt durch die EZB, treibt den Kampf gegen die Emission von Treibhausgasen voran.

 

Meine Damen und Herren,

und noch etwas dürfen wir nicht ignorieren: An vielen Frauen hat die Pandemie wahnsinnig gezehrt. Wie schnell sich scheinbar bestehende Gleichberechtigung als Schönwettereinstellung entpuppt hat. Erst als die Schulen und Kindergärten zu waren, kristallisierte sich heraus, an wem die Betreuungsarbeit im Notfall immer noch hängenbleibt: an den Frauen. Auch in „normalen“ Zeiten werden fehlende Angebote an Kinderbetreuung als „Probleme der Frauen“ gesehen. Und dementsprechend wird in dieser Richtung viel zu wenig getan.

 

Meine Damen und Herren!

Es mag unbequem sein: Aber wir alle werden unsere Lebensweise ändern, wir werden uns anpassen, Nachhaltigkeit, Regionalität und Klimabewusstsein werden unser Verhalten leiten. Die Jobs von morgen werden andere sein als die heutigen, und wir werden auch das schaffen. Und: ja, klarerweise finden sich für jeden Vorschlag,  wie eine bessere Zukunft aussehen könnte, mindestens fünf Gründe, warum das nicht funktionieren kann. Der menschliche Einfallsreichtum im Verhindern scheint ja oft unbegrenzt. 

Mein Vorschlag ist, unseren Einfallsreichtum, unsere Kreativität, die in jeder und jedem von uns steckt, dem Ermöglichen zu widmen. Dass wir uns gegenseitig unterstützen in einem Prozess des Umdenkens, des Neudenkens.

Was in der Kunst selbstverständlich ist, brauchen wir jetzt ganz dringend  in allen Lebensbereichen: Das gegenseitige Befördern unser aller Kreativität.

 

Meine Damen und Herren!

Ich habe zu Beginn meiner Rede  die Schlussszene des „Don Giovanni“ erwähnt.  Dabei habe ich,  vielleicht wurde es von Einigen bemerkt,  nicht die ganze Wahrheit gesagt. Leporello will sich nämlich nicht nur einen neuen Herrn suchen,  er will einen besseren Herrn finden. Und in diesem Sinne ist die Schlussszene nicht trivial. Den handelnden Personen ist sehr wohl klar, dass etwas passiert ist. Und dass es anders, dass es besser weitergehen muss. Arbeiten wir gemeinsam daran, dass es weitergeht. Dass es besser weitergeht.

Arbeiten wir an besseren Lösungen für unser aller Morgen!

Die Salzburger Festspiele 2021 sind eröffnet.

Eröffnung der Salzburger Festspiele 2021 26. Juli 2021
Eröffnung der Salzburger Festspiele 2021 26. Juli 2021

Fotos: Peter Lechner/HBF