Bundespräsident Alexander Van der Bellen eröffnet die Ars Electronica 2022

Bundespräsident Alexander Van der Bellen eröffnet die Ars Electronica 2022

Er sei überzeugt von der menschlichen Fähigkeit dazuzulernen und Probleme zu lösen, kommentierte der Bundespräsident die herrschenden Krisen von Krieg bis Klimawandel.

Herr Rektor Lukas, Herr Intendant Stocker – als unsere Gastgeber!
Herr Vizekanzler!
Herr Außenminister!
Geschätzte Damen und Herren!

Ich freue mich, heute auf dem „Planeten Linz“ 
Station machen zu können.
Ich komme in friedlicher Absicht, versprochen. 
Und in der Absicht, einige Gedanken mit Ihnen zu teilen.

In den letzten Jahren,
vermutlich im letzten Jahrzehnt,
ist die Kunst um ein Vielfaches politischer geworden.

Die gesellschaftliche,
die ökonomische
und ökologische Entwicklung, 
die multiplen Herausforderungen, 
denen wir uns als Gesellschaft gegenübersehen,
haben dazu geführt,
dass mehr und mehr Kunstschaffende Stellung beziehen,
dass sie sich einmischen und engagieren.
Literatur, bildende Kunst Film und Performance
sind lauter, fordernder, kantiger geworden.

Anders ausgedrückt:
Vorbei ist es mit den Theorien vom Ende der Geschichte.
Denn wir stecken mitten in ihr,
in der Geschichte.
Wir werden durch sie fast schon hindurchgefegt;
jedenfalls aber heftig gebeutelt.

Phänomene, die wir überwunden geglaubt haben,
sind zurückgekehrt:
vom Krieg in Europa
über eine massive Inflation, 
die den Menschen riesige Sorgen bereitet,
bis hin zu einer weltweiten Pandemie.

Ich bin von der menschlichen Kreativität und der Fähigkeit der Menschen, dazu zu lernen zutiefst überzeugt.

Anderes ist neu hinzugekommen:
Die Auswirkungen der Klimakrise sind 
in diesem Sommer so sichtbar wie schon lange nicht mehr.
Oder auch die immer schneller werdende technische Entwicklung,
in vielen unserer Lebensbereiche
mit der viele Menschen kaum mehr Schritt halten können.

Jedes einzelne dieser Phänomene
wäre für sich genommen schon eine Herausforderung.
In ihrer Gesamtheit jedoch
wirken sie oft übermächtig, 
geradezu überfordernd.

Aber:
Muss das so sein?

Ich glaube nicht.
Ich bin von der menschlichen Kreativität und 
der Fähigkeit der Menschen, dazu zu lernen 
zutiefst überzeugt.
Ich bin der festen Ansicht,
dass wir dazu in der Lage sind,
die Gegenwart zu meistern – und zwar
im Sinne der Zukunft und kommender Generationen.

Aber eben nur, wenn wir den Mut aufbringen,
alte und teils trügerische Gewissheiten auszugeben
und uns auf das Wagnis des Neuen einlassen.

Denn so viel ist klar:
auch liebgewonnene Gewohnheiten können tödlich sein. 
Und unsere Art auf diesem Planeten zu leben, ist tödlich.
Ich möchte aber keine Dystopien zeichnen.
Denn ich bin überzeugt, dass es aktuell viel wichtiger ist,
Utopien zurück zu erobern.
Und zwar als Zusammenspiel der kreativsten Bereiche, 
über die wir verfügen:
Forschung, Technik, Wissenschaft, Kunst.
Das halte ich für ein Gebot der Stunde.

Und eben, weil das Ars Electronica Festival
konsequent diesen Weg verfolgt,
halte ich es für besonders wichtig,
für relevanter denn je.

Für ein grundlegendes Umdenken,
für einen neuen Umgang mit der Natur,
für eine gesellschaftlich relevante Ausrichtung der Künstlichen Intelligenz
– für all diese ganz zentralen Felder
zur Bewältigung der gegenwärtigen Herausforderungen,
braucht es ein experimentelles
und interdisziplinäres Zusammenspiel,
wie es hier in Linz stattfindet.

Dann brauchen wir keinen „Planet B“
und keine Besiedelung des Mars.
Stecken wir doch den Mut,
den solche Unterfangen zweifelsfrei benötigen,
in eine Neuausrichtung unserer Lebenswirklichkeit.

Und die Kraft, die es uns oft kostet, wenn wir 
mit den Herausforderungen der Zeit hadern,
stecken wir sie doch lieber in den Aufbruch zu einer nachhaltigeren,
lebenswerteren und sozial gerechteren Welt.

Meine Damen und Herren!

Auf dem heutigen Programm stehen noch
Präsentationen und die Überreichung
der diesjährigen Preise der Ars Electronica.

Ich bin gespannt, welche Projekte wir zu sehen bekommen.

Das Ars Electronica Festival 2022 ist eröffnet.

Und eines noch: Genießen Sie den Abend!
 

OÖ-TAG: Eröffnung Ars Electronica, Linzer Klangwolke, Treffen mit Landeshauptmann Stelzer
OÖ-TAG: Eröffnung Ars Electronica, Linzer Klangwolke, Treffen mit Landeshauptmann Stelzer

Fotos: Peter Lechner/HBF