Europarats-Gipfel in Reykjavik

»Das Recht muss die Rechtlosigkeit besiegen«

Bundespräsident in Rede bei Europarats-Gipfel: »Einrichtung eines Registers der durch die russische Aggression in der Ukraine verursachten Schäden ist wesentlicher Schritt«.

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen,

Vor genau 30 Jahren kamen unsere Vorgängerinnen und Vorgänger 1993 in Wien zum ersten Gipfeltreffen des Europarates zusammen.

Angesichts der Überwindung der jahrzehntelangen Teilung Europas, aber auch angesichts des Bürgerkriegs auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, gaben sie ein klares Bekenntnis zu Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Drei Jahrzehnte später sind wir Zeugen eines Angriffskriegs ungeahnter Brutalität und Ausmaßes.

Russland hat sich damit klar außerhalb unserer europäischen Rechts- und Wertegemeinschaft gestellt.

Darüber hinaus ist die liberale Demokratie in vielen Ländern Europas unter Druck.

Wir haben also auch eine Entscheidung vor uns. Erliegen wir dem Ruf der einfachen Lösungen, des „starken Manns“, der sich nicht um das demokratische Ringen nach der besten Lösung kümmern muss? Ein Weg, der in Russland zu Willkür, Rechtlosigkeit und Terror geführt hat. Ein Weg, der unendliches Leid für die Menschen in der Ukraine bringt. Und ein Weg, der Europa Unsicherheit und Wohlstandverlust bringt.

Oder wählen wir den Weg des Rechts, des Rechtsstaats, der uns seit 1945 Sicherheit und damit enormen Wohlstand gebracht hat.

Dass wir heute hier sind, zeigt, dass sich Europa für Recht, für Sicherheit und Wohlstand entscheidet. Es zeigt, dass wir bereit sind, gemeinsam und entschlossen jenen entgegen zu treten, die Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bedrohen. Das gibt Hoffnung.

Die „Prinzipien für Demokratie von Reykjavik“, die wir heute verabschieden, sind ein sichtbares Zeichen.

 

Ebenso stellt die Einrichtung eines Registers der durch die russische Aggression in der Ukraine verursachten Schäden einen wesentlichen Schritt dar.

Wir dürfen auch nicht tatenlos zusehen, wenn Kinder aus der Ukraine illegal nach Russland verschleppt, deportiert und zwangsadoptiert werden. Das Recht muss die Rechtlosigkeit besiegen.

 

Werte Kolleginnen und Kollegen,

die Europäische Menschenrechtskonvention bildet das Rückgrat unseres Wertesystems. In Österreich steht sie zu Recht im Verfassungsrang und ist für uns eine demokratische Verpflichtung.

Zum Schutz der Menschenrechte jeder und jedes Einzelnen müssen wir die entsprechenden Normen aber auch stets weiterentwickeln und den Herausforderungen unserer Zeit – sei es die Klimakrise, seien es Digitalisierung und Künstliche Intelligenz– anpassen.

Nützen wir die kollektive Weisheit unserer Staaten im Europarat, um unseren Bürgerinnen und Bürgern – und allen, die bei uns leben – auch in Zukunft den bestmöglichen Schutz ihrer Rechte und damit Sicherheit und Wohlstand zu garantieren.

Herzlichen Dank!

Gipfel der Staats- und Regierungschefs des Europarates in Reykjavík 16. - 17. Mai 2023
Gipfel der Staats- und Regierungschefs des Europarates in Reykjavík 16. - 17. Mai 2023

Fotos: Peter Lechner/HBF