Eröffnung Ars Electronica 2021

»Ich erkläre das Ars Electronica Festival 2021 für eröffnet!«

Oberösterreich-Tage: Eröffnung der Ars Electronica 2021, Besuch bei Caritas St. Pius, Eröffnung der Special Olympics Stockschiessen und Eröffnung der Rieder Messe

Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Eröffnung des Ars Electronica Festivals 2021

8. September 2021

 

Verehrte Festgäste! Meine Damen und Herren!

Im Vorfeld zur heutigen Eröffnung habe ich mir ein bisschen die Geschichte des Ars Electronica Festivals angesehen – und frage mich seither:

Wie konnte man 1979, vor 42 Jahren, auf die Idee kommen, ein Festival zu gründen, das sich dem Verhältnis von Kunst und Technik widmet?

Fünf Jahre danach erst wurde der für den Kreativsektor so wichtige Macintosh-Computer auf den Markt gebracht, und vom Siegeszug des Internet war noch nirgendwo die Rede – um nur zwei Beispiele zu nennen.

Ganz offensichtlich ist es bei der Gründung des Festivals einer Gruppe von Menschen gelungen, ganz ohne technische Hilfsmittel, in die Zukunft zu schauen.

Einer von Ihnen war der Anfang dieses Jahres verstorbene Hannes Leopoldseder, den ich an dieser Stelle erwähnen möchte, weil dieses Festival, weil die Kulturstadt Linz ihm so viel verdankt.

Und spannend wäre es, sich vor Augen zu führen, wie vor 42 Jahren die Zukunft der Technik tatsächlich gedacht wurde.

Denn, und dies ist ganz gewiss das Alleinstellungsmerkmal der Ars Electronica: das Thema dieses Festivals ist seit nunmehr 42 Jahren: die Zukunft.

Und diese wird, das ist vollkommen klar, mehr noch von Technik und Künstlicher Intelligenz bestimmt werden, als dies heute bereits der Fall ist.

Daraus ergeben sich viele Fragen, die immer deutlicher gefasst werden können:

Sind die virtuellen Welten mitverantwortlich für die scheinbar immer deutlicher werdende Spaltung der Gesellschaft? Das Leben in der viel zitierten Bubble legt dies nahe.

Die Bubble erzeugt ein Bewusstsein, das auch als Vereindeutigung der Welt“[1]  bezeichnet wurde, und das evidenterweise der Komplexität unserer Lebenswelt gar nicht gerecht werden kann.

Denn: Einfache Antworten sind zumeist falsche Antworten – zumindest in diesem Bereich.

 

[1] Thomas Bauer, deutscher Arabist, der mit seinem Buch Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust von Mehrdeutigkeit und Vielfalt – 2018 erschienen – ein großes Medienecho hervorrief und mit dem Tractatus-Preis ausgezeichnet wurde.

Was bedeutet dieses Zeitalter der Information für unsere Gesellschaft? Wir bemerken immer stärker, dass es auch in der Digitalisierung Gewinner und Verlierer gibt.

Eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen, denn wir dürfen jene, die mit der Geschwindigkeit der Veränderung nicht Schritt halten können, keinesfalls zurücklassen.

Das betrifft auch die Gender-Gerechtigkeit: Wie sehr ist Digitalisierung männlich und exkludiert Frauen? Dieser Frage war heute schon eine eigene Veranstaltung hier in Linz gewidmet und an der meine Frau teilnehmen konnte.

Die digitale Revolution hat darüber hinaus unser Sozialverhalten grundlegend verändert. Wie oft sehen wir Gruppen von Menschen, die sich zwar offensichtlich verabredet haben, dann aber auf das jeweils eigene Smartphone starren? Sie sind anwesend und abwesend zugleich.

Unsere Kommunikation ist kürzer geworden, mächtige Staaten können scheinbar über Twitter regiert werden.

Und schließlich wird sich in den kommenden Jahren unsere Arbeitswelt von Grund auf ändern. Berufe werden verschwinden, immer mehr Abläufe werden automatisiert werden, andere Berufe werden dafür entstehen. Da könnten nicht zuletzt Fragen nach der Umgestaltung unseres Steuersystems aufgeworfen werden.

Schließlich: Wie gehen wir mit dem Hunger nach privaten Daten um? Der gläserne Mensch kann, obwohl technisch möglich, nicht unser Ziel sein.

Wir in Europa müssen die Richtung der Entwicklung der Digitalisierung und bei Künstlicher Intelligenz mitbestimmen - und dürfen sie nicht anderen überlassen.

Nicht technologischer Fortschritt sollte dabei der alleine entscheidende Punkt sein, sondern der menschliche Fortschritt.

Das heißt: Wir in Europa müssen alles tun, damit unsere Grundwerte Demokratie, Recht auf Privatsphäre und soziales Miteinander den Weg bestimmen, nicht nur das technisch Mögliche.

 

Meine Damen und Herren!

Das Erkennen und benennen von Herausforderungen, die mit den ungeheuren Chancen der Digitalisierung einhergehen, sind das Eine.

Es ist aber nicht genug.

Wir müssen zeitgerecht, also jetzt, alles daran setzen, jene Entwicklungen zukunftstauglich mitzugestalten, die heute schon deutlich zu erkennen sind.

Dies ist genuin die Aufgabe der Kunst. Die Kunst jedoch kann uns, mit ihrem einzigartigen kreativen Potential, die Vielfalt des Möglichen vor Augen führen und dadurch dazu beitragen, den Handlungsspielraum in unseren Köpfen zu erweitern.

Diese Abenteuer des Möglichen werden in den kommenden Tagen beim Ars Electronica Festival im Zentrum stehen.

Ich wünsche Ihnen allen eine spannende Reise und erkläre das Ars Electronica Festival 2021 für eröffnet.

OÖ: Eröffnung Special Olympics Stockschiessen, Ars Electronica, Caritas St. Pius
OÖ: Eröffnung Special Olympics Stockschiessen, Ars Electronica, Caritas St. Pius

Fotos: Peter Lechner/HBF

Bundesland-Tage in Oberösterreich vom 7. bis 9. September 2021

Dienstag, 7. September

19.30 Uhr: Eröffnung der 20. Special Olympics Stocksport Meisterschaften, melodium Kulturzentrum/4722 Peuerbach

Mittwoch, 8. September

11.00 Uhr: Teilnahme an der Eröffnung des Deep Space, Ars Electronica Center/Linz

19.00 Uhr: Eröffnung der Ars Electronica, Johannes Kepler Universität/4040 Linz

Donnerstag, 9. September

10.00 Uhr: Eröffnung der Rieder Messe, Messegelände/4910 Ried im Innkreis

anschl.: Rundgang durch die Messe, Messegelände/4910 Ried im Innkreis