Alexander Van der Bellen als Besucher bei einer Nationalratssitzung

Der Bundespräsident, seine Aufgaben und Rechte

Der/Die Bundespräsident:in steht im Dienste aller Bürger:innen dieses Landes. Als Staatsoberhaupt hat er/sie umfassende, genau geregelte Kompetenzen. Was darf, kann und muss der/die Bundespräsident:in eigentlich?

Der/Die Bundespräsident:in ist der/die einzige Repräsentant:in des Staates auf Bundesebene, der/die von den Bürger:innen direkt gewählt wird. Das verschafft ihm/ihr eine starke Stellung im Verfassungsgefüge, denn er/sie hat eine Mehrheit des Wahlvolkes hinter sich.

Seine/Ihre Macht ist aber zugleich in den meisten Rechtsakten gemäß Artikel 67 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes eingeschränkt: Der/Die Bundespräsident:in ist demzufolge auf einen Vorschlag der Bundesregierung oder der/des zuständigen Minister:in angewiesen. Diesem Vorschlag kann er/sie folgen oder nicht – in jedem Fall muss er/sie für sein/ihr Handeln nachvollziehbare Gründe haben.

Zwei Beispiele: So erstellt die Regierung etwa einen Vorschlag, wer Verfassungsrichter:in werden soll. Der/Die Bundespräsident:in überprüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und ob es sonstige Aspekte zu berücksichtigen gilt und trifft dann seine Entscheidung. Lehnt er/sie ab, dann sind Gespräche mit der Regierung erforderlich. Dasselbe gilt auch beim Gnadenrecht. Das Justizministerium erstellt einen Vorschlag, welche Häftlinge begnadigt werden sollen, der/die Bundespräsident:in kann zustimmen oder ablehnen. Sinnvoll ist, dass im Vorfeld abgeklärt wird, ob der/die Bundespräsident:in einem Vorschlag folgen wird oder nicht. Beim Gnadenrecht etwa haben sich gemeinsam vereinbarte Kriterien als nützlich erwiesen.

Verfassungsmäßig völlig frei ist der/die Bundespräsident:in bei der Ernennung des/der Bundeskanzler:in. Er/Sie könnte theoretisch jede Person mit der Regierungsbildung beauftragen, der/die zum Nationalrat wählbar ist. Soll die Regierung auch arbeitsfähig sein, braucht sie jedoch eine Mehrheit im Parlament. Diese kann der Regierung ansonsten jederzeit das Misstrauen aussprechen. Daraufhin muss der/die Bundespräsident:in sie des Amtes entheben. Daher haben bisher alle Bundespräsidenten die Mehrheitsverhältnisse im Parlament in ihre Überlegungen bei der Ernennung des/der Bundeskanzler:in einfließen lassen.

Insgesamt betreffen die Kompetenzen des/der Bundespräsident:in unterschiedlichste Rechtsgebiete und weisen ihm/ihr als Organ der Verwaltung auch Zuständigkeiten bei der Gesetzgebung und in Justizangelegenheiten zu – dies zeigt seine/ihre Bedeutung für die im Verfassungsgefüge vorgesehenen „checks and balances“, also dem üblicherweise in demokratischen Staaten angewandten Prinzip der Gewaltenteilung.
 

Die durch die Rechtsordnung zugewiesenen Kompetenzen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
 

1. Außenvertretung

  • Vertretung der Republik nach außen
  • Abschluss von Staatsverträgen
  • Anordnung zur Erfüllung von Staatsverträgen im Verordnungsweg
  • Gesandtschafts- und Konsularrecht

2. Bundesgesetzgebung

  • Einberufung des Nationalrates
  • Beendigung der Tagungen des Nationalrates
  • Auflösung des Nationalrates
  • Einberufung der Bundesversammlung
  • Festsetzung der Zahl der von jedem Bundesland in den Bundesrat zu entsendenden Mitglieder
  • Anordnung von Volksabstimmungen über Gesetzesbeschlüsse
  • Anordnung von Volksbefragungen
  • Beurkundung des verfassungsmäßigen Zustandekommens der Bundesgesetze

3. Bundesregierung

  • Ernennung der Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretär:innen 
  • Angelobung der Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretär:innen und Ausfertigung der Bestallungsurkunden
  • Entlassung und Enthebung der Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretär:innen 
  • Übertragung der sachlichen Leitung von Agenden des Bundeskanzleramtes an eigene Bundesminister:innen 
  • Bestellung der einstweiligen Bundesregierung bzw. einer/eines einstweiligen Bundesminister:in

4. Bundesländer

  • Angelobung der Landeshauptleute
  • Auflösung der Landtage

5. Krisenkompetenzen

  • Verlegung des Sitzes der obersten Bundesorgane von Wien an einen anderen Ort des Bundesgebietes für die Dauer außergewöhnlicher Verhältnisse
  • Berufung des Nationalrates von Wien an einen anderen Ort des Bundesgebietes für die Dauer außerordentlicher Verhältnisse
  • Notverordnungsrecht

6. Bundesheer

  • Oberbefehl über das Bundesheer
  • Verfügungsrecht über das Bundesheer
  • Ernennung der Offizier:innen 

7. Verwaltung

  • Ernennung der Bundesbeamt:innen und Bundesfunktionär:innen 
  • Verleihung von Amtstiteln an die Bundesbeamt:innen und Bundesfunktionär:innen 
  • zahlreiche einzelne Ernennungsbefugnisse in diversen Bundesgesetzen

8. Gerichtsbarkeit

  • Ernennung der ordentlichen Richter:innen und Staatsanwält:innen sowie der Richter:innen an den öffentlichen Gerichten des Bundes
  • Angelobung der/des Präsident:in und der/des Vizepräsident:in des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes
  • Exekution von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes
  • Begnadigung und Verfahrensniederschlagung in Einzelfällen bei gerichtlich strafbaren Handlungen:
    • Nichteinleitung oder Einstellung eines strafgerichtlichen Verfahrens (Niederschlagung)
    • Milderung und Umwandlung gerichtlich verhängter Strafen
    • Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister
    • Vorzeitige Tilgung
    • Hemmung des gerichtlich angeordneten Strafvollzugs
    • Nachsicht von Rechtsfolgen
  • Ehelicherklärung unehelicher Kinder

9. Sonstige „notarielle“ Funktionen

  • Angelobung der/des Präsident:in des Rechnungshofes
  • Angelobung der Mitglieder der Volksanwaltschaft

10. Gewährung von Ehrenrechten

  • Verleihung von Ehrenzeichen, darunter des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich sowie des Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst
  • Schaffung und Verleihung von Berufstiteln
  • Genehmigung von Promotiones sub auspiciis Praesidentis rei publicae und Verleihung eines Ehrenringes an die Promovierten
  • Verleihung des nächsthöheren Amtstitels bzw. der nächsthöheren Verwendungsbezeichnung an Beamt:innen anlässlich des Übertrittes in den Ruhestand